Das bekannte "worst case szenario": Der Angriff aus dem Stand:
Befehle ergehen an einem Freitag per Kradmelder an die Divisions- und Regimentskommandeure der Sowjetarmee und der NVA. Es werden zunächst nur Einheiten eingeweiht, die in Grenznähe sind. Strikte Funkstille wird befohlen. Die Abhörstationen der Nato auf dem Teufelsberg, dem Bocksberg, etc. haben also keine besonderen Aktivitäten bemerkt. Die ständigen Beobachter der westallierten Militärmission (Military Liaison Mission), die Tag und Nacht durch die DDR kurvten (sehr informativ der Film "Honor Bound"), hätten zunächst auch keine besonderen Einheiten-Verlegungen registrieren dürfen.
Irgendwann in der Nacht von Samstag auf Sonntag erging dann der Einsatzbefehl und die WP-Panzer wären dann in Richtung Grenze gerollt.
Am Wochenende war die Bundeswehr (spätestens ab Mitte der 70er) spärlicher besetzt. Wie sah es mit den Wallmeister-und Pioniereinheiten aus?
Gab es für die einen höheren Bereitschaftsgrad? Konnten/durften Sperranlagen überhaupt ausgelöst oder zumindest besetzt sein, bevor der V-Fall durch Bundestag und Bundesrat ausgelöst wurde? Ich habe irgendwas über Gesetzesänderungen Ende der 60er gelesen, daß die V-Fall Ausrufung etwas erleichtert hätte.
Wären genügend Pioniereinheiten sofort für jede Sperre zur Verfügung gestanden oder hätte man bei einigen Sperren schon früher ausgelöst um sich auf wenige wichtige Sperren zu konzentrieren? Man hätte ja damit rechnen müssen, daß Speznaz-Einheiten schon Tage vor dem Tag X in die Bundesrepublik in Zivil eingeschleust worden wären und die Sperranlagen ihrerseits schon "verteidigten" bis ihre Kameraden mit ihren Panzern anrollen.
Hätten evtl. Jägereinheiten der Bundeswehr auch vorher unbesetzte Sperren zurück erobern müssen?
In wieweit hätten Sperranlagen auch sabotiert werden können (Kaputtschlagen der 6-Kant-Schraube an den Trichtersperrdeckeln?)?
Das hätten sogar system-feindliche Gruppen im Westen (RAF, etc.) tun können, dazu wären nicht mal Soldaten benötigt worden.
Hatten Wallmeister/Pioniere in ihren Bussen auch Schleifgeräte dabei, um notfalls auch die Schrauben abzuschleifen?
Oft denkt man bei unmittelbaren Invasionsvorbereitungen nur an die Zerstörung von Kommando- und Fernmeldeeinrichtungen.
Wie wir aber spätestens aus dem Zweiten Weltkrieg wissen, war das Ausschalten von strategisch wichtigen Befestigungsanlagen schon immer ein wichtiger Bestandteil einer wenige Stunden folgenden Invasion, z.B. der Deutschen, die in Belgien das Fort Eben-Emael ausschalteten oder die Allierten bei der Landung in der Normandie durch Fallschirm- und Lastenseglereinheiten Brücken sicherten.
Ich denke, diese Fragen müssen schon viel früher von unseren Verteidigungs-Politikern und Generälen durchdacht worden und vernünftige Antworten & Lösungen gegenüber diesen Gefahren gefunden worden sein. Es wäre zumindest die verdammte Pflicht gewesen, denn Eines ist sicher: Unser Feind (durch KGB und Stasi aufgeklärt) wußte bestimmt schon sehr früh über die Existenz und Lage der Sperranlagen und die WP-Stäbe machten sich bestimmt hierzu Gedanken und Pläne, wie mit den Sperranlagen zu verfahren sei.
Denn Eines ist sicher. Die Zeit spielt immer gegen einen Überraschungsangriff. Und der WP hätte sehr schnell vorrücken müssen und Straßen und Brücken möglichst lange intakt bleiben müssen. Jede Stunde, jeder Tag, jede Woche erhöhte die Mobilisierung der Nato. Das Halten in den ersten Stunden wäre vielleicht schon kriegsentscheidend gewesen. Unsere Mob mußte anlaufen können, auch am Wochenende. Wären die Autobahnen (Zufahrt auf die Autobahn nur nach Vorzeigen des Truppenausweises) und Bahnverbindungen von Polizeieinheiten sofort gesperrt worden, damit die Soldaten an den Wochenenden schnell zu ihren Einheiten gekommen wären? Reforger hätte sofort in USA beginnen, also Zivilmaschinen sofort für Truppentransporte requiriert werden müssen, Deutsche Mob-Einheiten durch die Korpsdepots und Allierte Einheiten durch die Forward Storage Sites schnell bewaffnet werden.
Geleitzüge mit Waffen- und Versorgung hätten sofort beladen und spätestens 48 Stunden nach Beginn der Kampfhandlungen aus nordamerikanischen Häfen auslaufen müssen. Anti-Sub-Warfare Einheiten der Nato-Marinen hätten die G-I-UK Lücke sofort anlaufen müssen und Jagdflugzeuge in Norwegen, Grönland, Island und GB verstärkt werden, damit WP- Uboote und Seebomber in so geringer Anzahl wie möglich die überlebenswichtigen Geleitzüge angreifen konnten.
Aber wie gesagt, die erste wichtige Hürde wären die Sperranlagen gewesen. Wie sicher und schnell hätte man handeln können, damit diese Anlagen ihren Zweck erfüllten und unserer Mobilisierung Zeit erkaufte?
Fragen über Fragen. Ich bin sehr gespannt auf Euere Antworten.
Mir geht hier ein Satz aus "Im Sturm" (Red Storm Rising) nicht aus dem Kopf, den Tom Clancy so treffend formulierte:
"Ein Krieg, der Millionen in Mitleidenschaft ziehen sollte, begann mit verzweifelten Nachtkämpfen zwischen Einheiten in Zug- und Kompaniestärke."
Nachtrag: Habe mittlerweile den englischen Lehrfilm "Demolition Guard" gesehen. Vielen Dank. War sehr informativ.
Beantwortet ein paar Fragen, aber nicht alle.
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