Zuvor wurde die SD-1 Observer als funkferngesteuertes unbemanntes Aufklärungsmittel mit 20 Exemplaren = 1 System bei der Drohnen-Lehr- und Versuchsgruppe ab 1963 erprobt; das System war bei diversen Alliierten im operativen Betrieb und im Grunde ein umgerüsteter Zieldarstellungsflugkörper. Diese Erprobung wurde erst Ende 1968 aufgrund der grundsätzlichen Ungeeignetheit des Systemkonzepts eingestellt, obwohl bereits seit 1964 parallel die Entwicklung der CL89 durch dieselbe Einheit mitbetreut wurde und Anfang 1968 die Erstellung des Ausbildungsmaterials für die CL89 begann. Die Erfahrungswerte der SD-1-Erprobung flossen bei der CL89 so auch direkt mit ein und bestimmten deren Leistungsdaten mit - darunter die Programmsteuerung statt störbarer Funkfernsteuerung+Radarüberwachung, die doppelt so hohe Geschwindigkeit und niedrige Flughöhe und die nicht mehr auf Weltkriegsniveau laufende Aufklärungssensorik. Die geplante Eindringtiefe bzw. Reichweite war bei beiden Systemen übrigens ebenso wie die Größe - und damit der logistische Aufwand - praktisch identisch geblieben.
NATO Operationsplanungen
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Zitat von Nemere Beitrag anzeigen
Zuvor wurde die SD-1 Observer als funkferngesteuertes unbemanntes Aufklärungsmittel mit 20 Exemplaren = 1 System bei der Drohnen-Lehr- und Versuchsgruppe ab 1963 erprobt; das System war bei diversen Alliierten im operativen Betrieb und im Grunde ein umgerüsteter Zieldarstellungsflugkörper. Diese Erprobung wurde erst Ende 1968 aufgrund der grundsätzlichen Ungeeignetheit des Systemkonzepts eingestellt, obwohl bereits seit 1964 parallel die Entwicklung der CL89 durch dieselbe Einheit mitbetreut wurde und Anfang 1968 die Erstellung des Ausbildungsmaterials für die CL89 begann. Die Erfahrungswerte der SD-1-Erprobung flossen bei der CL89 so auch direkt mit ein und bestimmten deren Leistungsdaten mit - darunter die Programmsteuerung statt störbarer Funkfernsteuerung+Radarüberwachung, die doppelt so hohe Geschwindigkeit und niedrige Flughöhe und die nicht mehr auf Weltkriegsniveau laufende Aufklärungssensorik. Die geplante Eindringtiefe bzw. Reichweite war bei beiden Systemen übrigens ebenso wie die Größe - und damit der logistische Aufwand - praktisch identisch geblieben.
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Hallo Jörg,
tausend Dank für Deine präzisen Ausführungen und Erläuterungen! Wie immer große Klasse und sehr, sehr hilfreich!!!
Ich glaube, Du bist von der Vorstellung befangen, das sich am VRV unbedingt eine durchgehende Front bildet …
Exakt das war mein Ansatz. Der Vordere Rand der Verteidigung/FEBA (Front Edge of Battle Area) als durchgehende Führungslinie, an der eigene Hauptkräfte in Stellung stehen und das Verteidigungsgefecht führen.
Also VRV, z.B. Elbe-Lübeck-Kanal als markantes Geländehindernis, davor die Sicherungsline (SL) oder Front Line of Own Troops (FLOT), also die Führungslinie, der am weitesten vorgeschobenen eigenen Verbände.
Dann bricht Feind ein, der alte VRV kann nicht mehr gehalten werden, eigene Teile weichen kämpfend aus, führen das Verzögerungsgefecht und bilden an neuer Führungslinie weiter im rückwärtigen Raum den nächsten VRV, bzw. Auffanglinie, an der eine neue Verteidigung aufgebaut wird und an der der zurückweichende VzgVbd (Vzg = Vzö? Ich glaube, es existieren bei der BW beide Versionen) aufgenommen wird.
Also PzGrenBrig X steht am VRV in Erwartung des Verteidigungsgefechtes, davor kämpft ein VzöVbd (PzAufklBtl, PzGrenBtl, etc.) in der Verzögerung über mehrere Verzögerungslinien (VZL), bis es von PzGrenBrig X am VRV aufgenommen wird.
Einbruch bei PzGrenBrig X, eigener Verband kann nicht halten und muss aber noch kämpfend zurückweichen und bis zum nächsten VRV das VzgGefecht führen.
Also in westlicher Richtung ein ständiger Wechsel der beiden Operationsarten Verteidigung und Verzögerung, unterbrochen von Gegenstößen, wenn an geeigneter Stelle eigene PzKräfte für einen Gegenangriff, wohl meist in BtlStärke, massiert werden können.
Also für den NORTHAG-Sektor z.B. VRV1 = Elbe-Seiten-Kanal, VRV2 Weser, etc., etc.
Das der VRV aber anscheinend keine durchgehende Linie, sondern wie von Dir erwähnt, als Führungslinie für den aufgelockerten Kampf mit von eigener Truppe besetzten und nicht besetzten Räumen gedacht war, war mir völlig neu.
Klar, den Begriff „Leere des modernen Schlachtfeldes“ habe ich natürlich auch schon gehört, ihn aber eher auf verbesserte Tarnungsmöglichkeiten zurückgeführt, so dass eine eingegrabene JgKp in getarnten Feldbefestigungen vom Boden aus nur schwer aufgeklärt werden oder eine PzKp in teilgedeckten Stellungen (nur der Turm sichtbar, der nach vorne wirken kann) vielleicht den Eindruck erwecken, als sei da niemand. Auch die Verlagerung von Tag- zu Nachtgefechten, also mit entsprechender "Statik" tagsüber und starker Zunahme von beweglichem Kampf bei Dunkelheit.
Kein Panzeraufklärer wird von "Feindberührung" sprechen, wenn in 500 m Entfernung feindliche Panzer an ihm vorbeifahren, er wird noch keinen Grund sehen, hier auszuweichen.
Es ist etwas völlig anderes, wenn ein PzGrenZg in Stellung liegt, li/re Nachbar ebenfalls PzGrenZg und nach vorne das Geländevorfeld durch Alarmposten beobachtet, also nur mit Feind von vorne rechnet, oder ob es ein lSpähTrp ist, der weit weg von eigenen Tle, mit sehr viel intensiveren Bedrohungslagen rechnen muss. Daher der von mir benutzte Ausdruck Himmelfahrtskommando.
Klar auch ein vom Feind noch nicht aufgeklärter PzGrenZg am VRV kann durch überraschende Einbrüche des Gegners eingeschlossen werden sich sehr schnell in einer „Insellage“ befinden … aber jetzt sind wir schon wieder im Klein-in-Klein, sorry …
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Ich würde das Thema gern noch einmal aufgreifen und dazu die Thesen von Werner Ebeling in seinem Buch „Schlachtfeld Deutschland Vernichtung oder Überleben“ aufgreifen, was thematisch hier meiner Meinung nach sehr gut reinpasst. Vieles hat er sehr blumig ausgedrückt, ich versuche hier nur die Essenz seiner Thesen herauszufiltern.
Werner Ebeling: Schlachtfeld Deutschland Vernichtung oder Überleben, Podzun-Pallas-Verlag. 1986, ISBN-13: 978-3790902686
Zur Person:
WP:Werner Ebeling (* 21. November 1913 in Stade; † 25. August 2008 in Sandkrug bei Oldenburg)
Nach seinem Abitur 1934 trat Ebeling 1935 freiwillig für ein Jahr in das Infanterieregiment 16 der Wehrmacht ein. Ab 1936 begann er an der Hochschule für Lehrerbildung in Kiel ein Studium der Pädagogik. In dieser Zeit nahm er an mehreren Reserveübungen teil und wurde Leutnant der Reserve. Er begann nach seiner Einberufung seinen aktiven Militärdienst im Infanterieregiment 220 der 58. Infanterie-Division. Im März 1941 wurde Ebeling Chef der 12. Kompanie. Im August 1942 wurde er als Adjutant eingesetzt und im Januar 1944 wurde er Kommandeur des II. Bataillons im Grenadierregiment 220. Im September 1944 wurde Ebeling Kommandeur des Grenadierregiments 154. Am 8. Mai 1945 wurde er mit den Resten seines Regiments von der Halbinsel Hela nach Schleswig-Holstein ausgeschifft und ging in britische Kriegsgefangenschaft.
Nach Ende der Kriegsgefangenschaft arbeitete Ebeling als selbstständiger Kaufmann und von 1950 bis 1956 in Stade als Lehrer. Einer seiner Schüler war der spätere Journalist Stefan Aust[2]. Im Jahr 1956 trat Ebeling als Oberst in die Bundeswehr ein. Zunächst war er Lehrgruppen-Kommandeur in der Infanterieschule Hammelburg und von 1962 bis 1965 Kommandeur der Panzergrenadierbrigade 16. Ab Januar 1968 und bis zu seiner Pensionierung 1970 war Ebeling, im Range eines Generalmajors, Kommandeur der 11. Panzergrenadierdivision in Oldenburg.
Die beiden Militärmaschinerien NATO und WAPA würden alles bisher Dagewesene an Feuerkraft, Waffentechnologie, etc. bei weitem treffen – wir befinden uns im Jahr 1986!
Bestreben der BW, die Kriegshandlungen möglichst grenznah an einer möglichst schmalen Linie zu halten, was der US-amerikanischen, britischen, etc. Militärdoktrin widerspricht. Das wäre aufgrund mangelnder operativer Reserven eine „epochale Verteidigungsleistung“, da Rückeroberung nicht möglich.
Es stünde ein Kriegspanorama an, wobei Verhältnisse wie im WK I und WK II beinahe gemütlich/idyllisch anmuten würden.
è Verstehe ich nicht so ganz, Ebeling war doch WK II-Teilnehmer. Er müsste die Härten der Kriegswirklichkeit doch mit voller Wucht miterlebt haben. Was sollte am WK III über 40 Jahre zuvor mit Ausnahme des ABC-Krieges denn so fundamental anders sein?
Der WK III würde sehr viel schneller sein. Ein einziger, wuchtiger Schlagabtausch zweier gigantischer Kriegsmaschinerien.
Aufgrund der fehlenden räumlichen Distanz war die Abwehr an der Grenze und v.a. das Erkennen eines fdl Angriffs von fundamentaler Bedeutung (aufgrund der hohen Mobilität, MechInfanterie, etc. anscheinend also wesentlich entscheidender als zu Zeiten des WK I/WK II), die Warnzeit, Mobilisierung u. Aufmarsch in die vorgesehenen Einsatzräume. Insbesondere, weil der WAPA nach eigenen Angaben nur eine Bereitstellungszeit von 3-4 Tagen hatte.
è Wir wissen, dass ein unbemerkter Aufmarsch von Truppenteilen aus Sibirien in die DDR aufgrund von Satellitenaufklärung nicht möglich war, also ist dies ad absurdum geführt. Ein anderes Szenario wäre der Übergang aus einem WAPA-Großmanöver (Sapad, Waffenbrüderschaft 80, etc.) in eine reale Konfliktsituation
Fakt ist jedoch: die ersten Anzeichen einer bevorstehenden Feindseligkeit müssen so früh wie möglich erkannt werden.
Die NATO darf gemäß ihres Auftrages den Feind erst nach Überschreiten des Eisernen Vorhangs bekämpfen. Erst dann sollten wohl die FOFA-Angriffe, Luftangriffe auf die 2. Staffel etc. beginnen.
Der erste Ansturm würde die NATO sehr schnell in die Gefechtsart Verzögerung zwingen, also dem schrittweisen kämpfenden Ausweichen i.d. Tiefe. Der 1. Schlag: Anhäufung vielfältiger Waffensysteme, hohe Verluste auf beiden Seiten und frühe Aufsplitterung ganzer Verbände („die Wucht des Angriffs der 1. Polnischen Armee war derart stark, dass die PzGrenBrig 16 binnen weniger Stunden in drei Teile zerbrach“), es folgen massive Reserven, um den Durchbruch zu vergrößern. Geschlagene Lücken und Aufbrüche … fehlende Reserven bei der NATO, um diese Durchbrüche wieder zu bereinigen.
Bewegliche Verteidigung der NATO (eher die britische Doktrin?).
Verzichtet auf dauerhafte Geländeverstärkung (also überhaupt keine Feldbefestigungen?) und nimmt den Kampf unter Ausnutzung natürlicher Deckung auf (also idealerweise im Infanteriegelände mit Panzerlinien). Der Gegner wird kanalisiert und wird im günstigen Fall verlustreich gestoppt. Der Vorteil des 1. Schusses! Sein auf Schnelligkeit ausgelegter Angriff wird zunächst einmal „geschockt“ sein. Muss der Gegner stets neu anlaufen, so setzt empfindliche Abnutzung und Zermürbung ein. Dazu bemüht sich der Verteidiger immer wieder, Gegenangriffe in seine Flanke auszuführen, sobald sich eine auftut.
Diese Kampfweise ist für den Verteidiger selbst sehr verlustreich (was ist eigentlich nicht verlustreich so mal als ketzerische Frage?), denn er ist durch pausenlosen Einsatz selbst stark geschwächt.
Kämpfendes Ausweichen kann leicht zu einem „Ausrutschen“ und einer Flucht führen. Wichtig hierbei sind Sammelräume, wo sich die abgekämpfte Truppe sammeln und neu gruppieren kann (wird es anscheinend im Szenario eines WK III kaum noch geben, denn „auch hinten ist vorne“)
Folgen sind: unklare Frontverläufe, fortwährende Unsicherheiten.
Unsere jungen, kriegsunerfahrenen, sensiblen Soldaten der Bundeswehr werden diesem psychologischen Druck nicht gewachsen sein.
Operationen geraten sehr schnell aus der Kontrolle. Beispiel Falklandkrieg zu Lande und zur See, der Falklandkrieg war nur ein „Mini-Einsatz“, gar nicht zu vergleichen mit dem WK III in Mitteleuropa.
„Insellagen“
Angriffe großer Feindmassen führen unvermeidlich zu Durchbrüchen und Flankenbedrohungen mit dem Resultat, dass eigene Teile umgangen oder eingeschlossen werden. Verteidigungsräume seien eine reine Fiktion, denn in Wirklichkeit sind es eingeschlossene Truppen, also ein Kessel mit Kampfkraftschwund und Versorgungsnot. Ebeling erinnert hier an Stalingrad, Kurland, Demjansk, u.a. – die eingeschlossenen Truppen wären besser und sinnvoller in der verkürzten Ostpreußenlinie oder Weichselstellung eingesetzt.
NATO-Großverbände sind eher auf Beweglichkeit und Schnelligkeit eingerichtet, um großräumige Bewegungskriege zu führen und nicht, um zu verteidigen.
Dann folgen Beispiele wie kleine aber exakt funktionierende Truppenkörper (mit Panzerabwehr) einem Massenheer überlegen waren.
è Die kleine Kampfgemeinschaft, die Schützengruppe, der abgesessene PzGrenZg, das ist ja nichts Neues, nur gegen ein Massenheer, wie meint Ebeling das? FSchJg auf Kraka? Keine Ahnung.
Die Bundeswehr sei zu logistikabhängig (aber ist das nicht jede Armee? Kein PzBtl kann sich vorne allein versorgen) und sei daher eine „Kolonnenarmee“, eine Art Expeditionsheer.
Ebeling spricht von chaotischer Gefechtsentwicklung, so wie es in der Endphase des WK II der Fall war.
Dann kommt er zu der Führungsfähigkeit der Gefechtsstäbe.
Lastiger Führungsapparat mit plumpen Wagenpark. Vorstellung einer fast buchhalterisch zu führenden „klassischen“ Befehlsführung. Hat mit der Praxis eines modernen Gefechtes (1986) nichts zu tun, da sich die Gefechtsentwicklung stündlich ändert.
Große Angriffswucht des Gegners (Artillerie, Frontflieger, HIND-Kampfhubschrauber … das meinte man wohl mit „ungemütlich“ bezogen auf … aber ich will den Ebeling hier nicht falsch zitieren), unaufhörlicher Druck, bindet fast magnetisch an den Gegner, ständig aufgezwungene Bewegung (Feuer und wieder Ausweichen, Feuer und Wechselstellung), verdichtete Feuerwirkung, empfindliche Ausfälle und eine völlig unübersichtliche Gefechtsentwicklung.
Jeder Verband, der einmal in den Kampf eingetreten ist, und das sind frühzeitig ALLE, wird ihn mit geringem Spielraum bis zum Sieg oder bis zum bitteren Ende OHNE Pause durchstehen müssen, da es weder ein Herauslösen noch ein Auffrischen geben wird, oder weil es ein Verband – trotz Befehle – einfach gefechtstechnisch einfach nicht kann.
Bei Interesse gerne Fortsetzung ….
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Ich möchte nur auf einige Punkte eingehen, um das Ganze nicht ausarten zu lassen.
1. Zur Person Ebelings:
Ich habe so meine Zweifel, ob Ebeling die Kompetenz hatte, die geplante und mögliche Kriegführung der NATO in Mitteleuropa in ihrer Komplexität zu übersehen. Er war im 2. Weltkrieg ein bewährter, tapferer und hoch ausgezeichneter Truppenführer – aber eben nur bis zur Regimentsebene eingesetzt. Im fehlte jede Erfahrung und jede Ausbildung für den Einsatz in höheren Stäben, die mit operativen Fragen befasst waren. Er hatte weder bei der Wehrmacht noch bei der Bundeswehr eine gründliche Ausbildung in der Führung großer Verbände oder der Stabsarbeit bekommen. Auch bei der Bundeswehr war er nur bis zur Divisionsebene eingesetzt, während die operative Führung, die sich mit der Gesamtkriegsführung in Deutschland befasste, frühestens auf der Ebene Korps / Wehrbereichskommando begann.
Seine Verwendungen im Ausbildungsbereich (stv. Kdr Infanterieschule Hammelburg / später General für Unteroffizier- und Offiziersausbildung) hatten mit dem Thema, das er in dem von Dir zitierten Buch behandelt, überhaupt nichts zu tun. Hier konnte er eventuell noch seine Kriegserfahrungen für die Ausbildung auf unterer taktischer Ebene nutzbringend einsetzen, mehr aber auch nicht.
Auch seine Bewertung der operativen Erfahrungen des 2. Weltkriegs ist zumindest diskussionswürdig. Du schreibst oben: „Ebeling erinnert hier an Stalingrad, Kurland, Demjansk, u.a. – die eingeschlossenen Truppen wären besser und sinnvoller in der verkürzten Ostpreußenlinie oder Weichselstellung eingesetzt.“ Bei Stalingrad hat er sicher recht, bei Kurland hat er wahrscheinlich recht, bei Demjansk hat er dagegen eklatant unrecht. Es ist inzwischen unstrittig, dass der Haltebefehl Hitlers im Winter 1941 ein totales Auseinanderbrechen der deutschen Front verhindert hat, so dass die Kessel des Jahres 1941 – Cholm und Demjansk – erfolgreich verteidigt und im Frühjahr 1942 erfolgreich entsetzt werden konnten. Sie hatten bis dahin stark e Feindkräfte gebunden. In Cholm war eine schwache Division (ca. 6000 Mann), in Demjansk waren etwa anderthalb Armeekorps (ca. 100.000 Mann) eingeschlossen. Das Hitler dann diese erfolgreiche Kesselverteidigung auf die in Stalingrad unter völlig anderen Voraussetzungen mit über 250.000 Mann eingeschlossene 6. Armee übertrug, ist eine andere Sache. Es zeigt vor allem, dass es in der Kriegführung keine schematisch anwendbaren Kochrezepte gibt, sondern jede Lage neu beurteilt werden muss.
2. Ebeling scheint es aber – wie viele andere – nicht geschafft zu haben, seine wertvollen Erfahrungen weiterzuentwickeln und den veränderten Verhältnissen anzupassen. Das ergibt sich teilweise schon aus seinem Sprachgebrauch.
Du zitierst Ebeling z.B. oben: „Die Bundeswehr sei zu logistikabhängig und sei daher eine „Kolonnenarmee“, eine Art Expeditionsheer.“ Der Begriff „Kolonne“ hat hier nichts mit „Kolonien“ oder „Expeditionsheer“ zu tun, sondern ist 1:1 als Zombie aus den Vorschriften von Wehrmacht und Kaiserlichem Heer weitergeschleppt worden. „Kolonnen“ waren dort Versorgungs- und Transporteinheiten. Ein Infanterieregiment hatte z.B. eine „leichte Infanteriekolonne“ mit 20 – 25 Pferdefuhrwerken zur Versorgung des Regiments, eine Division hatte Nachschubkolonnen, es gab Brückenkolonnen, die Pontons und Brückengerät mitführten usw.
Bei der Bundeswehr wurde der Ausdruck „Kolonne“ für Nachschubeinheiten überhaupt nicht mehr verwendet, es tauchen nur kurze Zeit einige „Brückenkolonnen“ bei den Pionieren auf.
3. Ebeling hat während seiner Zeit an der Infanterieschule in Hammelburg die damals noch „Rangerausbildung“ genannte Einzelkämpferausbildung mit ins Leben gerufen. Sein gemeinsam mit Horst Engelbrecht verfasstes Handbuch „Kämpfen und Durchkommen“ geistert immer noch herum und beeinflusste über Jahrzehnte die Einzelkämpferausbildung der Bundeswehr. Dieses Buch war Anfang der 1960er Jahre sicher aus den Erfahrungen des Rußlandfeldzuges, vor allem der sog. „Rückkämpfer“ nach den katastrophalen Niederlagen der Wehrmacht im Sommer 1944 bei der Heeresgruppe Mitte und in Rumänien geschrieben worden. Es hatte damals sicher seinen Wert. Problematisch ist dagegen, das Ebeling sein Buch nie den veränderten Verhältnissen angepasst hat.
Einer der Feldwebellehrgänge, die ich in Sonthofen ausbildete, hat mir im November 1989 zum Abschied die 9. Auflage von „Kämpfen und Durchkommen“ geschenkt. Dass sich damals die Bundesrepublik schon total verändert hatte, dass es keine großen Wälder und Sumpfgebiete mehr gab, davon findet sich kein Wort in dem Buch. Schon 1989 wäre es für ein Überleben abseits der Truppe nötig gewesen, den Soldaten beizubringen, wie sie im Kriegsfall in unserer zersiedelten Landschaft oder im Chaos einer durch die Kriegswirren völlig verwahrlosten Großstadt zurechtkommen. Den Soldaten wurde immer noch beigebracht, wie sie kaum mehr zu findende Beeren usw. in einer flurbereinigten Landschaft suchen sollten, um die Ernährung sicherzustellen. Sinnvoller wäre es wahrscheinlich gewesen, die Erfahrungen von Obdachlosen oder Stadtstreichern zum Überleben in der Großstadt weiterzugeben.
Diese Anpassung an aktuelle Entwicklungen hat Ebeling nie geschafft.
4. In den Anfangsjahren der Bundeswehr bestand ein eklatanter Mangel an geeigneten Offizieren und Unteroffizieren. Die Wirtschaft boomte, die wirklich guten Leute hatten fast alle gute Positionen in der Wirtschaft, die Bundeswehr tat sich schwer, brauchbares Personal zu finden. Man stellte daher hochdekorierte Wehrmachtsoffiziere ein, die aber das für eine Friedens- und Ausbildungsarmee in einem Verteidigungsbündnis, wie es die Bundeswehr nun mal war, notwendige Rüstzeug im Führungs- und Managementbereich und in der Stabsarbeit nie gelernt hatten. Das Ergebnis war, das viele dieser Offiziere in einer parlamentarisch kontrollierten Friedensarmee scheiterten und kaum mehr befördert wurden Ebeling ist immerhin Divisionskommandeur geworden. Viele der jüngeren kriegsgedienten Offiziere, die z.B. als Leutnant oder Oberleutnant in die Bundeswehr eintraten, versagten dann Anfang der 1960er Jahre im Stabsoffizierslehrgang, um dann Mitte der 1970er nach langen Jahren der Frustration als Hauptmann in Pension zu gehen.
Geschichte wiederholt sich zwar nicht, aber ähnliche Erfahrungen gab es nach 1990 bei der Übernahme der Rest-NVA.
5. Du zitierst Ebeling oben: „Dann folgen Beispiele wie kleine aber exakt funktionierende Truppenkörper (mit Panzerabwehr) einem Massenheer überlegen waren.“
Die Diskussion um eine andere Gliederung der Streitkräfte war zwischen 1975 und 1985 allgemeines Thema beim Heer, es wurde viele Theorien zu alternativen Verteidigungsstrategien entworfen.
Grundkonzept war eigentlich immer, es nie zu einer großen Schlacht zwischen gepanzerten Verbänden kommen zu lassen, sondern der Gegner sollte sich zwischen vielen kleinen, kaum mit Artillerie zu fassenden Einheiten totlaufen.
Das ging dann hin bis zu Konzepten der „Sozialen Verteidigung“, bei denen Elemente des gewaltlosen Widerstandes, des Generalstreiks und der totalen Weigerung der Bevölkerung des besetzten Landes zur Zusammenarbeit mit den Okkupanten ins Spiel kamen. Man berief sich hier auf Beispiele des Ruhrkampfes 1923 oder im damals noch französischen Algerien vor 1960.
Man nahm alle diese Vorschläge immerhin so ernst, das es 1984 oder 1985 ein mehrere Tage dauerndes Hearing im Deutschen Bundestag zu diesen Fragen gab, also eine öffentliche Anhörung der Experten zu diesem Thema.
Ungelöst bei all diesen Theorien blieb die Tatsache, dass damit endgültig die gesamte Republik zum Kriegsschauplatz – und das nach den Vorstellungen der Verfechter der alternativen Strategien für lange Zeit - geworden wäre. Wir erleben ja aktuell, das sich „asymmetrische Konflikte“ über Jahre und Jahrzehnte hinziehen, siehe Afghanistan oder in 1960er Jahren Vietnam.
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Moin Jörg,
Dein immenses Wissen ist immer wieder erstaunlich. Meinen großen Respekt!
Ja, das war mir gar nicht so bewusst, dass Ebeling aufgrund seines Hintergrund wohl gar nicht in der Lage war, über die NATO-Kriegsführung in Mitteleuropa zu referieren. Sein etwas altertümlicher Sprachstil ist mir allerdings natürlich schon aufgefallen.
Rangerausbildung in HAMMELBURG, das war mir vollkommen neu.
Werner Ebeling und Horst Engelbrecht: Kämpfen und Durchkommen: Der Einzelkämpfer - Kriegsnahe Ausbildung für das Verhalten abseits der Truppe. Bernard & Graefe; Auflage: 11., Aufl. (1999), ISBN-13: 978-3763754410
Dieses Werk muss ich mir unbedingt im Antiquariat besorgen.
Die Leistung der Rückkämpfer im Sommer 1944, sich abgekämpft, erschöpft, demoralisiert, traumatisiert und verwundet über Wochen oder Monate über unvorstellbare Strapazen durch Weißrussland bis zurück nach Ostpreußen zu kämpfen (z.B. MINSK – SUWALKI i. ehemaligen Ostpreußen – 350km, gem. Google Maps 71 Marschstunden aber nicht querfeldein und durch feindbesetztes Gebiet!) ist natürlich enorm! Ich denke mir, mit der Physis und fehlenden Robustheit meiner oder der heutigen Generation überhaupt nicht denkbar. Keine Durchschlageübung der Fallschirmjäger oder EKL in HAMMELBURG/ALTENSTADT a. Lech kann auch nur eine Ahnung von dem vermitteln, was die Rückkämpfer nach dem Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte durchmachen mussten. Natürlich kann niemand sagen, welche Leistungsreserven ein Mensch in Extremsituationen abrufen kann – aber wenn eine gewisse Grundrobustheit, körperliche Fitness, Leidensfähigkeit, etc. nicht vorhanden ist, dann wird es natürlich schwierig.
Ebeling ging es in „Schlachtfeld Deutschland“ ja auch um jene besagten Insellagen, die sich in einem modernen Krieg beim Durchstoß schneller Panzerverbände wohl eher und häufiger ereignen würden, als in den vergangenen Weltkriegen. So habe ich ihn zumindest verstanden.
Sehr viel interessanter für mich ist hingegen, was er über die zu erwartende KRIEGSWIRKLICHKEIT und über die enorme Belastung an der Front sagt. Schon ein (relativ kleiner) Konflikt wie der Falklandkrieg habe in einigen Situationen zu Lande, Meer, Luft schon zu erheblichen Krisenlagen … na ja, er hält sich hier bedeckt und ich weiß auch nicht, was er damit meint.
Führungsfähigkeit der Gefechtsstäbe
Klassische Befehlsführung und ein hochagiles modernes Gefecht würden einfach nicht mehr zusammenpassen. Permanenter Druck, verdichtete Feuerwirkung …
Bearbeitungsgänge, z.B. beim Einlauf einer Lagemeldung über die Registrierung, G2, dann womöglich stufenweise über G3, Chef des Stabes, schließlich Kommandeur und endlich wägende Entschlussfassung mit anschließender Fixierung in einem Befehl, wären in einem kommenden Krieg wirklichkeitsfremd. Hier kann nur ein wendiger, vorgeschobener Gefechtsstand helfen. Der künftige, schnellste Krieg der Geschichte, man lasse nicht die von General Rogers angemahnte kurze Frist bis zum Zwang eines nuklearen Einsatzes aus den Augen, verlangt die Rückkehr zu vermehrten „einsamen“ und schnellen Entschlüssen des Kommandeurs.
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Zitat von EmilBerggreen Beitrag anzeigenDie Leistung der Rückkämpfer im Sommer 1944, sich abgekämpft, erschöpft, demoralisiert, traumatisiert und verwundet über Wochen oder Monate über unvorstellbare Strapazen durch Weißrussland bis zurück nach Ostpreußen zu kämpfen (z.B. MINSK – SUWALKI i. ehemaligen Ostpreußen – 350km, gem. Google Maps 71 Marschstunden aber nicht querfeldein und durch feindbesetztes Gebiet!) ist natürlich enorm! .Angehängte Dateien
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Kämpfen und Durchkommen: Der Einzelkämpfer - Kriegsnahe Ausbildung für das Verhalten abseits der Truppe. Bernard & Graefe; Auflage: 11., Aufl. (1999), ISBN-13: 978-3763754410
Dieses Werk muss ich mir unbedingt im Antiquariat besorgen.
Das Buch von Ebeling geht vor allem auf die "passiven" Inhalte der Einzelkämpferausbildung, also das Überleben des Soldaten ein. Die "aktiven" Elemente - Hinterhalte legen, Anlegen von Verstecken, Verhalten im feindlichen Hinterhalt, Marsch im feindbesetzten Gebiet, Kontaktaufnahme mit der Zivilbevölkerung usw. ist darin NICHT enthalten. Hier gab es andere Literatur, z.B. ein Sonderheft der Zeitschrift "Wehrausbildung", dessen Titel und Inhaltsverzeichnis ich ebenfalls beifüge.
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Besten Dank auch für den Hinweis zu Ebelings Buch. Wäre jetzt für mich ein Grund, es nicht zu kaufen.
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Zunächst einmal ein Frohes Jahr für alle hier im Forum! Ich hoffe, dass Ihr nicht mit dem traditionellen Kater zu kämpfen habt. :-)
Ich möchte eine Aussage aus dem Buch
Dieter Krüger: Schlachtfeld Fulda Gap. Parzeller Verlag. 2015. ISBN: 978-3790004861
herausgreifen.
Thema: Das Problem der zusammenhängenden Gefechtsführung (S. 20)
1.) Die erste Schlacht gegen die 1. Operative Staffel des WAPA müsse auf Korpsebene geschlagen werden
2.) Erst die Folgeschlacht dann i.d. Verantwortung d. Heeresgruppen
Wie ist das gemeint? Z.B. NORTHAG reagiert als Allererstes mit dem Gefecht der Verbundenen Waffen und den Truppengattungen, die auf Korpsebene angesiedelt waren (meines Wissens PAHs, Heeresflugabwehrtruppe, RakArt, etc.)
Und erst dann sind die Heeresgruppen dran. Also das I. DE-Korps und ihre Vorstellungen von einem grenznahen Gefecht, das I. BR-Corps und sein Konzept der „Schlüsselräume“, das I. BE-Korps im „Streifen von GÖTTINGEN“ dann wieder mit einem ganz anderen Konzept oder wie könnte das gemeint sein?
Die Verbindung zu den Nachbarkorps ist besonders wichtig. Bei den verschiedenen Nationalitäten besteht die Gefahr, dass in Krisen zunächst jeder nur an sich denkt. Fortgesetzte Aufklärung in diese Nachbargefechtsstreifen hinein ist von lebenswichtiger Bedeutung für die Divisionen des III. Korps. Nur so können bei der Gefahr einer Flankenbedrohung rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden.
Also kein gemeinsames operatives Konzept und jeder kocht sein eigenes Süppchen mit möglicherweise katastrophalen Konsequenzen.
https://www.militairespectator.nl/si...43-01-0072.PDF - von Sandrart
Wie es heiß, blieben die dt. Korps die ganze Zeit mehr oder weniger bei ihrer Verteidiger vorne am VRV, einfach weil es zu „schmerzhaft“ wäre, den Gegner kampflos so tief eindringen zu lassen. Den Engländern, Belgiern und Holländern konnte das vielleicht egal sein. Immerhin war es das eigene Heimatland, was verteidigt wurde.
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Was ich damit sagen will, ist:
das verstärkte PzGrenBtl irgendwo bei HELMSTEDT oder UELZEN wartet doch nicht auf das Korps und die umständliche Meldekette Korps -> Division -> Brigade -> Btl,
sondern reagiert sofort auf eine Bedrohung.
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Oder bestes Beispiel die11th Armored Cavalry Regiment "Blackhorse" am FULDA GAP, die ja wie eine kleine "Division" kämpfen sollte. Sie hatten ja seinerzeit sogar ihre eigenen Cobra-Kampfhubschrauber.
Also nach Auftragstaktik im hohen Maße eigenständig.
Das Korps muss den Gesamtüberblick über die Lage behalten und z.B. entscheiden, an welchem Schwerpunkt sie z.B. die schwere Korpsartillerie einsetzen soll.
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Das Thema lautet: „ NATO-Operationsplanungen“, es geht also um die militärischen Planungen. Man ging davon aus, dass sich die jeweiligen NATO-Partner an diese gemeinsam verantworteten und beschlossenen Konzepte halten würden. Alle Spekulationen, ob sich denn im Kriegsfalle Holländer, Belgier oder gar die USA evtl. vornehm zurückhalten würden, sind die „politische“ Seite der NATO. Auf diese Diskussion möchte ich mich nicht einlassen, weil hier zu wenig Fakten und zu viele nicht belegbare Vermutungen im Spiele sind. Es gab sicher Anzeichen dafür, dass gerade die USA nicht um jeden Preis ihren Bündnisverpflichtungen in Europa nachgekommen wären. Stellen wir uns einen Präsidenten wie Trump in den heißen Phasen des Kalten Krieges vor! Er hätte möglicherweise schnell die „America first“-Karte gezogen und hätte die Boys heimgeholt, wenn es zu einem großen Konflikt gekommen wäre.
Bleiben wir beim Handwerklichen.
Die Verbindung zu den Nachbarkorps ist besonders wichtig. … Fortgesetzte Aufklärung in diese Nachbargefechtsstreifen hinein ist von lebenswichtiger Bedeutung für die Divisionen des III. Korps. Nur so können bei der Gefahr einer Flankenbedrohung rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden.
Das mit der Aufklärung in den Nachbargefechtsstreifen hinein halte ich für bedenklich, wenn überhaupt kann das nur in gemeinsamer Absprache laufen, weil sonst nur Verwirrung, wenn nicht Schlimmeres entsteht.
Genauso gab es an den Korpsgrenzen Überlegungen zum Einsatz im Gefechtsstreifen des Nachbarkorps. Die 12. Panzerdivision hatte u.a. auch die linke Flanke des in Nordbayern eingesetzten VII. US-Korps zu sichern. Dazu gehörte auch die Option des Einsatzes ungebundener Kräfte im hessischen Raum. Da hier der Verantwortungsbereich von 2 Korps betroffen worden wäre, hätte die Koordination durch CENTAG erfolgen müssen. Das gleiche hätte z.B. beim Einsatz französischer Kräfte gegolten, die aus dem Raum Trier nach Hessen hätten vorgeführt werden können.
Das Problem der zusammenhängenden Gefechtsführung
Also kein gemeinsames operatives Konzept und jeder kocht sein eigenes Süppchen mit möglicherweise katastrophalen Konsequenzen.
http://www.cold-war.de/showthread.ph...9377#post39377
Beitrag 150.
Er hat treffend nachgewiesen, dass eben nicht jeder sein eigenes Süppchen kocht, sondern dass hier ständiges Abstimmen der jeweiligen Maßnahmen nötig ist.
das verstärkte PzGrenBtl irgendwo bei HELMSTEDT oder UELZEN wartet doch nicht auf das Korps und die umständliche Meldekette Korps -> Division -> Brigade -> Btl, sondern reagiert sofort auf eine Bedrohung
Bei der Brigade und erst recht bei Division und Korps wird man auf Grund der von unserem Btl einlaufenden Meldungen, aber auch durch Kenntnis der Meldungen der anderen Btl sowie der Aufklärungsergebnisse von Artillerie und ggf. Luftwaffe zu einem weitergehenden Schluß kommen. Hier sieht man nicht nur die angreifenden Teile des BMP-Regiments, sondern sieht evtl. die Schwerpunktbildung der angreifenden Panzerdivision der 1. Staffel, hinter der bereits die 2. Staffel mit ihren Spitzen zu erkennen ist. Man wird auf diesen Ebenen dann auch immer Raum-Zeit-Berechnungen anstellen müssen, um zu erkennen, wann diese 2. Staffel beispielsweise wirksam wird.
Erst auf diesen höheren Führungsebenen gibt es die Reserven, die man wirklich wirksam z.B. gegen drohende Feindeinbrüche einsetzen kann – der verstärkte Zug als Reserve des PzGrenBtl kann allenfalls taktisch örtlich wirken, aber nicht auf operativer Ebene.
Frühestens bei der Division gab es Reserven, die über ein Bataillon hinausgingen (und das auch nicht immer), frühestens das Korps hatte Reserven, die wirklich entscheidend sein konnten. Je nach Lage hatte ein Korps durchaus eine Reservedivision (die allerdings oft unter Führungsvorbehalt der Heeresgruppe stand), eine Luftlandebrigade und das Panzerabwehrhubschrauberregiment, um tiefe Feindeinbrüche durch einen Gegenangriff / Flankenstoß zu zerschlagen. Reines „Auffangen“ des Feindvorstoßes sollte eigentlich für Divisions- und Korpsreserve die Ausnahme sein, weil damit eigentlich nichts gewonnen war. Der Feind stünde immer noch in meinem Verteidigungsraum, kann seine Kräfte aus der 2. Staffel nähren und bleibt auf längere Sicht doch überlegen. Da man aber Zeit braucht, um Divisions- und Korpsreserven zum Einsatz zu bringen, ist das „Auffangen“, also den eingebrochenen Feind zum Stehen zu bringen, erst einmal Sache der örtlichen Kräfte, z.B. der Brigadereserve. Das dabei ein vorne am VRV liegendes PzGrenBtl gewaltig Federn lassen müsste, um es einmal so salopp auszudrücken, bleibt dabei nicht aus.
Leider gab es bei der Bundeswehr auf Korpsebene keine ungebundenen Kampftruppen, wie sie die Amerikaner mit ihren Armored Cavalry Regiment (ACR) hatten. Das waren tatsächlich kleine Divisionen. Die große Frage war allerdings, was von diesen ACR nach der Anfangsphase eines Konflikts noch übrig geblieben wäre. Die ACR wären zunächst in der Verzögerung in sehr breiten Gefechtsstreifen eingesetzt worden – wofür sie aufgrund ihrer Ausstattung weit besser geeignet waren als die bundesdeutschen Panzeraufklärungsbataillone. Gerade in Nordbayern mit dem Problem des Angriffs massiver sowjetischer Panzerverbände aus der „Plauener Pforte im Zuge der Auto Richtung Hof – Bayreuth unter gleichzeitiger Bedrohung der rechten Flanke durch aus dem Osten (CSSR) zu erwartende Kräfte dürfte das hier vorgesehene 2nd ACR deutlich an Kampfkraft eingebüßt haben.
In der Heeresstruktur 3 gab auch deutscherseits den Versuch, den Korps eine solche Reserve zu verschaffen. Jedes Korps sollte ein Panzerregiment, bestehend aus 2 verstärkten Panzerbataillonen, bekommen. Es blieb beim Versuch, bereits nach wenigen Jahren wurden die beiden tatsächlich aufgestellten Regimenter wieder aufgelöst. Gründe waren der bundeswehrweite Personal- und Materialmangel, der Zwang zur Aufstellung von 36 Kampftruppenbrigaden und die unzweckmäßige Gliederung der PzRgt. Ihnen fehlten wesentliche Unterstützungstruppen, von Kampfhubschraubern, wie bei den Amerikanern gang und gäbe, konnte die Bundeswehr bis Ende des Kalten Krieges nur träumen.
Das Korps muss den Gesamtüberblick über die Lage behalten und z.B. entscheiden, an welchem Schwerpunkt sie z.B. die schwere Korpsartillerie einsetzen soll.
Das Korps hatte damit nur noch das ausschließlich nuklear einsetzbare Raketenartilleriesystem LANCE. Damit war kein Schwerpunkt zu bilden, weil beim Einsatz dieser Waffe die Schwelle zum atomar geführten Krieg überschritten worden wäre und dann ganz andere Kategorien gegolten hätten.
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Um kurz dazwischen zu grätschen:
Von welcher Voirwarnzeit ging die NATO in den 80ern aus? Ich habe früher irgendwo gelesen, dass der WP auch darüber nachdachte, "aus dem Stand" anzugreifen und die Vorwarnzeit auf unter 24 Stunden zu drücken.
Wäre das überhaupt machbar?"Damals, als ich in meinem Alter war..."
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Also meines Wissens war ein Angriff aus dem Stand völlig unmöglich.
Unbemerkte Truppenverschiebungen nach Westen durch Satellitenaufklärung ebenfalls nicht praktikabel.
Und die mehr oder weniger grenznah stationierten Truppen (z.B. 8. Mot-Schützendivision "Schwerin") nicht stark genug, um eine Großoffensive durchzuführen.
Für die Vorwarnzeit gab es wohl unterschiedliche Szenarien: 36, 48 Stunden, etc.
Am ungünstigsten natürlich i.d. Gefechtsabschnitten des I. NL-Korps u. I. BE-Korps, weil die den längsten Weg hatten.
Welche Verbände konnten am schnellsten alarmiert werden?
Ich denke die Panzeraufklärer, nachdem die leichten Spähzüge herausgezogen wurden, um gleich grenznah das Verzögerungsgefecht führen zu können. (kann man das so sagen?)
Nach meinem bisherigen Kenntnisstand war das Entscheidende für die ersten Stunden nach Beginn der Feindseligkeiten die Erringung der Luftherrschaft.
Denn ohne diese wäre eine Bodenoffensive des WAPA nicht erfolgreich möglich.
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