Forschung zum Kalten Krieg

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  • FEK
    Cold Warrior
    • 02.09.2005
    • 279

    #46
    Zitat von Doc Hollywood Beitrag anzeigen
    Aber ihr habt es ja mit (ich nehm das mal als eins von vielen Beispielen) Angehörigen der Waffen-SS ähnlich gemacht. Diejenigen die ihr gebrauchen konntet, habt ihr abgeschöppft, die anderen waren alle global Verbrecher.
    ist in mehrfacher Hinsicht falsch. Zwei Sichten davon will ich Dir nennen. Zu einem haben nicht "wir" es so gemacht, sondern die SS wurde als Ergebnis der der Nürnberger Prozesse als verbrecherische Organisation benannt und verboten. Die zweite Sicht besteht an den ungeheuerlichen Verbrechen an welchen die SS maßgeblich beteiligt war. Dennoch wurden ihre Angehörigen jedoch nicht pauschal sondern individiuell bestraft. In der Bundesrepublik war es auch kein Hinderungsgrund für eine staatliche Karriere SS-Mitglied oder Angehöriger andere faschistischer Organisationen oder deren Geheimdienste gewesen zu sein. Eher wohl eine Empfehlung.

    Beim Umgang mit SS und den DDR Sicherheitsorganen irgendetwas auch nur ansatzweise als "das selbe in grün" zu bezeichnen, empfinde ich als ungeheuerlich. Nehme es mir also nicht übel, das ich auf Deine Beiträge in Zukunft nicht mehr reagiere, da Du Dich dann auf der Ignorierliste befinden wirst.

    FEK

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    • Doc Hollywood
      Warrior
      • 07.01.2007
      • 94

      #47
      @FEK

      wer lesen kann ist klar im Vorteil!!

      ich schrieb Waffen-SS und nicht SS

      die Waffen-SS und die allgemeine SS sind zwei verschiedene Paar Schuhe!!

      Dein Verhalten mich auf die Ignorierliste zu setzen zeigt doch Dein typisches Denkschema
      die Partei hat immer Recht!!! und wenn sie mal nicht recht hat oder Euch einfach die Argumente fehlen gibt´s in guten Foren die Ignoriertaste, dem Kapitalismus sei´s gedankt!

      scheinbar ist eine pluralistische Gesellschaftsordnung nicht´s für Euch

      Kommentar

      • Harry (†)
        In Memoriam
        • 14.07.2005
        • 1234

        #48
        >ungeheuerlichen Verbrechen an welchen die SS maßgeblich beteiligt

        Ich nehme doch an, in der DDR wurden ehemalige Stalinisten sofort geteert und gefedert, nicht? Oder war das nicht

        >Eher wohl eine Empfehlungwurden sie eher bevorzugt behandelt
        --------------------------------
        Der liebe Harry

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        • Traveller
          Warrior
          • 01.04.2006
          • 68

          #49
          Zum Thema :
          Ein paar Eindrücke in loser Reihenfolge.Bin für -sachliche-Fragen-immer aufgeschlossen.

          Melde mich wieder zurück aus Odense der Stadt des Dichters und Märchenerzählers, Hans Christian Andersen(Die kleine Meerjungfrau).
          Nachdem ich nun meine persönliche Presseschau zur Konferenz in DK absolviert habe,bin ich eher der Meinung,Andersen ist beim Märchenschreiben eher ein Dilettant gewesen.Das,was ich hier im-fast gleichgeschalteten-Blätterwald zum Thema lese,sind nämlich überwiegend Berichte mit märchenhaften Ausschmückungen..Es sei denn, man berichtet von verschiedenen Veranstaltungen.
          Zu lesen ist hier fast ausschließlich von 11 Vortragenden,sich unselbstkritisch und selbst feiernden,früheren HVA-Spitzenkadern,die uneinsichtig ihre Tätigkeit präsentieren.Da ist die Rede von einer Behörde in Deutschland,die boykottierend der Konferenz fernblieb,richtiger wäre wohl zu schreiben,daß sie garnicht vom Veranstalter eingeladen wurde,wegen des konträren Verhaltens zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der deutsch-deutschen Geschichte der Geheimdienste.
          Kaum zu lesen ist im Blätterwald,diesen 11 hochrangigen Referenten der früheren HVA,standen mehrere international renommierte Wissenschaftler gegenüber,die als Elite auf diesem Fachgebiet gelten und akribisch die Geheimdiensttätigkeit der HVA im Kalten Krieg ausleuchteten und von ihrem aktuellsten Forschungsstand berichteten.
          Wo kann man heute in deutschen Zeitungen lesen,daß die Gefahr eines Atomkrieges um 1983 weitaus näher war als zur Zeit der Kubakrise.(Rjan,Able Archer)?
          Welcher deutsche Zeitungsleser wird erfahren,daß in Odense die unbeantwortete Frage in den Raum gestellt wurde:"Hat womöglich die HVA,durch Weitergabe aktuellster brisanter Informationen nach Moskau,einen Atomkrieg verhindert?"
          Bezeichnend für die Situation in Deutschland im Umgang mit der eigenen Geschichte ist nicht nur der neutrale Ort der Konferenz,sondern auch das Auftreten einiger deutscher"Aufarbeiter"bei dieser Konferenz.So fand ich z.B. das Auftreten der ehemals "Bürgerbewegten"Rita Selitrenny bezeichnend für das Klima in D.In ihrem 1991 mit Thilo Weichert herausgegebenen Buch "Das Erbe der Stasi",fordert sie im Interesse des inneren Friedens,eine Offenlegung der Umstände die eine Gesellschaft zerriß und forderte keine pauschale Vorverurteilung im Umgang mit MfS-Mitarbeitern.Hier,in Odense, fiel diese Frau nur durch hysterisches Geschrei-vermutlich Fragen-auf.
          Sehr peinlich kam dann noch der Auftritt des selbsternannten "Stasiforschers" und Gedenkstättenleiters Lippmann herüber, der für mich intelektuell eindeutig überfordert war.
          Im O-Ton deutscher Blätterwald liest sich das so:
          "Zur historischen Forschung trugen die Ex-Kader nichts bei. "Was die erzählen, wissen wir längst", urteilte Bernd Lippmann von der Berliner Gedenkstätte Normannenstraße, dem Stasi-Museum. Er war einer der wenigen Kritiker, die zur Konferenz angereist waren."
          Zitat Berliner Kurier
          Da frage ich mich,warum wusste er selbst denn nichts,wenn alles bekannt ist?
          In einer Zeitung aus dem Süddeutschen Raum,einem Sprachgebiet,daß mich mitunter als Norddeutschen vor akustische Probleme stellt,verunglimpft man gar den Initiator dieser Veranstaltung,Prof.Thomas Wegener Friis,der angeblich das Wort HVA schon mit sächsischen Akzent ausspricht.Wer die dänische Sprache kennt,wird wohl bei jedem Dänen bei der Aussprache "HVA" diesen Bezug herstellen können.Na ja,nichts ist unmöglich,wenn es um die Haßkappe zur Deligitimierung der DDR geht.

          Traveller
          Fortsetzung folgt!

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          • Traveller
            Warrior
            • 01.04.2006
            • 68

            #50
            Es war eine spannende,interessante Konferenz,die von den international renommierten Historikern positiv bewertet wurde.

            Es war ein spannendes Experiment:
            Die Auslandsaufklärung der DDR stand im Mittelpunkt einer internationalen Konferenz im dänischen Odense. Debatten von Sachlichkeit geprägt
            Es hat auch sein Gutes, wenn eine staatliche Propagandaeinrichtung wie die BStU, besser bekannt als »Birthler-Behörde«, Diskussionen über die Rolle des Auslandsgeheimdienstes der DDR boykottiert: Die internationale Konferenz, zu der das »Zentrum für die Studien des Kalten Krieges« der dänischen Universität Odense am Wochenende eingeladen hatte, verlief in sachlicher Atmosphäre. »Das ist sehr vernünftig gelaufen, es war ein spannendes Experiment«, resümierte der Organisator der Konferenz, Prof.Thomas Wegener Friis.
            Hitzige Diskussionen
            Etwa 250 Gäste waren zu der Konferenz gereist, die die politische Einflußnahme der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des DDR Ministeriums für Staatssicherheit untersuchen sollte. Aus Berlin waren etwa 80 ehemalige Angehörige der HVA gekommen, darunter ein knappes Dutzend ihrer Westagenten »Kundschafter« genannt. Das Besondere des Treffens war, daß Historiker und ehemalige HVA-Offiziere sich über ihre unterschiedlichen Sichtweisen austauschen und diskutieren konnten: 13 Referenten aus dem einen und elf aus dem anderen Lager beleuchteten Aspekte wie politische und militärische Spionage, die Geschichte der HVA, die ominösen »Rosenholz-Dateien« oder die Infiltration des Bundesnachrichtendienstes (BND). Zu den Rednern gehörten Gabi Gast, die jahrelang die HVA mit Interna aus dem BND beliefert hatte, sowie Rainer Rupp, der aus dem Allerheiligsten der NATO berichtet hatte. »Nach einigen Referaten gab es zwar hitzige Diskussionen, man ist sich aber nicht an den Kragen gegangen«, lobte Wegener Friis.

            Das Treffen in Odense war der zweite Anlauf zu der Konferenz, die unter dem Motto »Hauptverwaltung A -Geschichte, Aufgaben, Einsichten« stand. Ursprünglich hatte die Tagung am 17. Juni in Berlin stattfinden sollen. Die Birthler-Behörde war zwar eingeladen, hatte aber empört abgesagt, als sie erfuhr, daß Zeitzeugen zu Wort kommen sollte. Es folgte eine wüste Medienkampagne mit dem Resultat, daß die von der Universität angemieteten Konferenzräume kurzfristig gekündigt wurden. Schließlich wurde auch jede Teilnahme von BstU-Mitarbeitern an dem Treffen in Odense verboten. Einer der hauseigenen Historiker hielt sich nicht daran: Helmut Müller-Enbergs.
            Große Resonanz
            Vor allem bei Wissenschaftlern aus dem Ausland stieß die Konferenz auf Resonanz. »Das war hochspannend. Ich habe noch nie so viele interessante Details erfahren«, lobte die niederländische Historikerin und Autorin Dr. Beatice de Graaf. »Von der HVA-Seite gab es selbstkritische und gut formulierte Beiträge, bei manchen Referaten wäre aber vielleicht etwas mehr wissenschaftliche Reflexion nötig gewesen.« Klaus Schulze, Assistenz-Professor an der Universität Roskilde (Dänemark), zeigte sich überrascht »von der problematischen wissenschaftlichen Qualität von zwei der Bundesregierung nahestehenden Referenten«. Der deutsche Friedensforscher Erich Schmidt-Eenboom hob den internationalen Aspekt hervor: »Es hat sich ausgezahlt, daß Referenten aus Drittstaaten in die Konferenz einbezogen wurden«, »Ich hoffe, daß diese neue Sachlichkeit auch nach Deutschland überschwappt.«

            Von derartigen Bewertungen erfährt das deutsche Medienpublikum allerdings wenig. Durchgängiger Tenor: »Stasi-Generäle feiern sich selbst.« Alte Erfahrung: Durch Recherche macht sich mancher Journalist die Story kaputt.

            Peter Wolter
            Zuletzt geändert von Traveller; 25.11.2007, 10:54.

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            • Traveller
              Warrior
              • 01.04.2006
              • 68

              #51
              »Die Konferenz hat neue Anregungen gegeben«
              US-Wissenschaftlerin plädiert für die Zusammenarbeit von Zeitzeugen und Historikern. Ein Gespräch mit Kristie Macracis
              Professorin Dr. Kristie Macracis lehrte bisher Geschichte an der Michigan State University in den USA, demnächst arbeitet sie in Harvard. In Odense hielt sie am Wochenende einen Vortrag über die »Rosenholz-Dateien« , ein dem US-Geheimdienst in die Hände gefallenes Dokument der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) der DDR
              Sie sind US-Bürgerin und arbeiten wissenschaftlich zur Rolle von Geheimdiensten in der Politik. Hat die Konferenz in Odense Ihre Erwartungen erfüllt?

              Ja, sehr. Ich bin begeistert, es herrschte eine sehr angenehme Stimmung. Vor der Tagung hatte ich von Befürchtungen gehört, die Diskussion könnte sehr kontrovers werden, das hat sich nicht bestätigt. Im Gegenteil: Ich glaube, daß sowohl die Geheimdienstler als auch die Historiker zufrieden waren. Es war sehr wissenschaftlich, auch wenn es hin und wieder heftige Debatten gab. Das gehört aber zu Tagungen dieser Art hinzu.

              Ursprünglich sollte die Konferenz in Berlin stattfinden , nach einer öffentlichen Kampagne dagegen mußte sie aber abgesagt werden. Hauptargument war, man dürfe den ehemaligen Offizieren der DDR-Aufklärung kein Forum bieten. Haben Sie Propagandaabsichten verspürt, die diese Befürchtung hätten rechtfertigen können?

              Es hat mich ziemlich schockiert, daß die Konferenz in Berlin nicht stattfinden durfte. Das ist sehr ungewöhnlich und schlägt zurück auf diejenigen, die für die Absage gesorgt haben. Deutschland ist immerhin eine Demokratie, und die lebt schließlich vom Austausch von Meinungen. Ich persönlich habe ähnliche Erfahrungen gemacht, als ich mein zweites Buch über die Wissenschaften in der DDR geschrieben habe. Da wurde mir von deutscher Seite entgegengehalten, bestimmte Leute dürften nicht zur Geschichtsschreibung beitragen. Auch das war schon ein Schock für mich.

              Sind weitere Konferenzen sinnvoll?

              Ja sicher, es gibt viele offene Fragen. Mein Interesse gilt der Geheimdienst-Geschichte, und das ist für Deutschland offenbar ein ziemlich neues Thema. Zeitzeugen sind wichtig, deswegen müssen ihre Beiträge auch festgehalten werden.

              Wird es ähnliche Veranstaltungen auch über die Rolle der US-Geheimdienste geben?

              Es gab schon eine, das war 1999, als ich gerade in Deutschland war. Es war eine Geheimdiensttagung auf dem Teufelsberg in Berlin, wo die USA während des kalten Krieges eine riesige Abhörstation betrieben. Historiker waren dabei und Persönlichkeiten des ehemaligen sowjetischen Geheimdienstes sowie der CIA. Vertreter der DDR-Auslandsaufklärung waren nicht eingeladen, worüber ich mich sehr gewundert habe.

              Gerade die hätten einiges beisteuern können , immerhin hatte die HVA auf dem Teufelsberg mit Jim Hall einen sehr wichtigen Agenten plaziert.

              Den Vorgang kenne ich gut, ich habe darüber auch in meinem Buch geschrieben.

              Wie beurteilen Sie als US-Historikerin die Auseinandersetzung im heutigen Deutschland über die Konfrontation der Geheimdienste während des kalten Krieges? Spielen da wissenschaftliche Kriterien eine Rolle oder ist es vorwiegend gegenseitige Polemik?

              Da muß man differenzieren, es gibt sehr verschiedene Leute, die sich mit diesem Komplex befassen. Die Frage läßt sich pauschal also schlecht beantworten. Vielleicht kann man das Dilemma auch anekdotisch umreißen: In Odense wohnten die DDR-Geheimdienstler in dem einem Hotel, die Historiker waren in einem anderen untergebracht. Ich habe die Veranstalter darauf angesprochen, daß ich gerne auch abends bei einem Glas Wein mit Zeitzeugen hätte sprechen wollen , daraufhin kam die erschrockene Antwort: Um Himmels willen, das hätte nur Streit gegeben.

              Der von der Bundeswehr ausgebildete Historiker Armin Wagner erregte Widerspruch mit seiner Behauptung, 90 Prozent der von der HVA geführten Agenten seien auf finanzieller Basis geworben worden. Auch Sie haben ihm widersprochen.

              Ich habe mich mit dem Bereich Wissenschaft und Technik intensiv befaßt. Nach meiner Einschätzung war es lediglich die Hälfte, der Rest wurde auf ideologischer Grundlage geworben. - immerhin habe ich 300 Spionagefälle dieser Art untersucht. Natürlich spielen oft zusätzliche Motive auch noch eine Rolle. Wagner berief sich auf den Historiker Georg Herbstritt , was aber falsch ist, denn mit genau dem habe ich selbst zusammengearbeitet. Der finanzielle Anreiz kann aber nicht so gravierend gewesen sein, denn die HVA hat nie viel Geld gezahlt.

              Haben Sie Impulse für neue Forschungen bekommen?

              Ich wollte eigentlich die Beschäftigung mit diesem Komplex abschließen, bevor ich nach Odense kam. Jetzt sehe ich aber, daß es weitere reizvolle Themen gibt. Die Konferenz hat viele neue Anregungen gegeben.

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              • Traveller
                Warrior
                • 01.04.2006
                • 68

                #52
                Anmerkung: Wissenschaft oder Disziplinarstrafe?
                Nachdem die Birthler-Behörde mit dafür gesorgt hatte, daß die ursprünglich in Berlin geplante Konferenz platzte, wollte ihr Historiker Helmut Müller-Enbergs als Privatmann in Odense teilnehmen. Das tat er auch – wenn auch nur virtuell. Da er plötzlich erkrankte, wurde sein Beitrag verlesen. Dies ist seine Vorbemerkung:

                »Sehr geehrte Damen und Herren, ich spreche im eigenen und privaten Auftrag, nicht im Namen und mit Genehmigung eines anderen oder für meinen Dienstherrn. Ich nutze dafür meine Freizeit, die mir von Gesetzes wegen am Wochenende zusteht, also nicht meine Arbeitszeit und keinen Urlaub.
                Ich stütze mich in meinen Ausführungen und in der Diskussion auf dieser wissenschaftlichen Konferenz der süddänischen Universität in Anwesenheit geschätzter Kollegen und von Zeitzeugen, die Auskunft zur Sache geben wollen, allein und ausschließlich auf allgemein zugängliche Literatur, die ich in meiner Freizeit gelesen habe. (...) Ich stütze mich also in meinen Ausführungen nicht auf dienstlich gewonnene Erkenntnisse oder von mir selbst veröffentlichte Arbeiten. Das stellt keinen Zensureingriff oder eine die Freiheit der Wissenschaft einschränkende Vorgabe dar, wie mir versichert worden ist. Vielmehr erlaubt dies eine Konzentration auf Fragen.
                Bei sorgfältiger Abwägung zwischen dem Anliegen, über die Einflußversuche und Wirkungsweise des Ministeriums für Staatssicherheit aufzuklären, wie es sich die Bürgerbewegten und die Gründer des Stasi-Unterlagen-Gesetzes wünschten, und den damit verbundenen möglichen Konsequenzen, die das für mich haben kann, entschied ich mich für das Recht als Wissenschaftler, dem wissenschaftlichen Erkenntnisinteresse wesentlich zu folgen.«
                Die Birthler-Behörde denkt jetzt über Konsequenzen gegen Müller-Enbergs nach.
                Traveller

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                • Traveller
                  Warrior
                  • 01.04.2006
                  • 68

                  #53
                  Nachdem ich mir auch so eine Art Pressesampler der vergangenen Tage zur Konferenz zusammengestellt habe,kann ich feststellen, daß doch ein Tenor in D. vorherrschend ist.
                  Dominierend ist die Bewertung dieser Konferenz durch Jens Gieseke,als Beobachter der B-Behörde.Seine Formulierungen tauchen irgendwie immer wieder stereotyp in den Meldungen auf.Habe ich auch anders nicht erwartet.
                  Überall liest man 11 "Stasi-Obere" der HVA erzählten von ihren Erfolgen.
                  Selten liest man aber,daß diese Zeitzeugen über ihre Arbeit berichteten und ihnen 13 internationale Wissenschaftler gegenüber standen,mit Fragen zu ihrer Tätigkeit.

                  Da waren auch schon unbequeme Fragen dabei,auch für unsere "Aktenverwalter" in Berlin.
                  Prof.Kristie Macracis(USA) beschwerte sich,daß ihr nur eine begrenzte Anzahl der gewünschten Akten-und nur sehr zögerlich/zeitverschleppend-zur Verfügung standen.

                  Robert G.Livingston(USA),ein langjähriger Diplomat und mit Titeln versehener Universtätsprof.,stellte z.B. die Frage zur Überprüfung der Parlamentsabgeordneten im Bundestag auf MfS-Kontakte:
                  "Was wäre gewesen,wenn man 18 Jahre nach 1945 die Bundestagsabgeordneten auf NSDAP-Mitgliedschaft hätte überprüfen sollen?1963!."
                  Alles in allem,ausländische Wissenschaftler gehen mit diesem Thema viel entspannter um,als es in D. der Fall ist.
                  Der besagte Livingstone feierte während der Konferenz, am 17.11. seinen 80. Geburtstag,bekam einen Blumenstrauß und übernahm im Gegenzug spontan die Kosten des Abendbüfetts.
                  Traveller

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                  • Traveller
                    Warrior
                    • 01.04.2006
                    • 68

                    #54
                    Dr. Thomas Wegener Friis, Organisator der HVA-Tagung in 3sat am 19.11.2007:. „…Man muss in der Lage sein, auch andere Meinungen anzuhören…“

                    Das sollte in einem Land, das weltweit als Oberlehrer in Sachen Grundfreiheiten und Menschrechte auftritt, Grundkonsens sein. Nach der Kastrierung der Wissenschaftsfreiheit durch die inszenierte Absage der Tagung in Berlin im Juni dieses Jahres folgte nun eine Medienreaktion, die in beschämender Weise die Gleichschaltung der meinungsbildenden Medien Deutschlands bis zum letzten Totschlagsargument demonstrierte.

                    Schon auf Triumphbögen des alten Rom sind die Besiegten gedemütigt, kniend und gefesselt abgebildet, auf dass niemand es jemals wieder wage, sich gegen die mächtigen Sieger zu erheben.

                    Das scheint auch der Maßstab der Vertreter der heutigen Siegergeschichtsschreibung, unter ihnen der des Beobachters der Birthler-Behörde, Dr. Jens Giesecke, zu sein, deren oberstes Ziel darin besteht, ehemaligen Angehörigen des MfS kein Podium zu bieten, es sei denn sie schwören einstigen Idealen ab und bekennen sich (wofür immer auch) schuldig.

                    Historiker, die sich als Wissenschaftler verstehen, widmen sich der Erforschung der historischen Wahrheit, indem sie sowohl Dokumente und andere Überlieferungen als auch Zeitzeugen kritisch befragen.

                    Nichts anderes passierte in Odense. Dass die Vertreter der HVA dort beeindruckten, lag weder an besonderer Aggressivität noch an übersteigerter Selbstsicherheit. Es lag einfach an den faktengestützten, überzeugenden Argumenten und deren ausgewogenen Darlegung. Es lag auch an Persönlichkeiten, deren Biografie höchsten Respekt verdient.

                    Wer noch nicht vergessen hat, dass es eine Zeit gab, in der mächtige Militärblöcke ihre Atomwaffen aufeinander gerichtet hatten, kann ermessen, dass eine reale Lagebeurteilung für die Menschheit seinerzeit lebensrettend sein konnte. Rainer Rupp und Dr. Gabriele Gast, die auf der Konferenz auftraten, hatten sich mit hohem persönlichem Risiko dieser Aufgabe gestellt und dafür nach 1990 schwere Verfolgungen auf sich genommen.

                    Der von den Medien als Geheimdienstforscher aufgewertete Vorsitzende der Gedenkstätte Normannenstraße, Bernd Lippmann, war nach Odense gezogen, um den „Stasi-Drachen“ zu bändigen. Was er jedoch vorzutragen hatte, hätte noch nicht einmal ausgereicht, um ein kleines Häschen zu dressieren. Nicht nur das souveräne Auftreten der HVA-Vertreter oder die sichtbare solidarische Verbundenheit der „DDR-Delegation“ (ca. 90 ehemalige Angehörige des MfS, IM und Gesinnungsgenossen) sondern auch die Zweitklassigkeit einzelner ihrer Kontrahenten ließen so den Eindruck einer HVA-Dominanz entstehen. Die BStU hatte durch den Boykott der Tagung ohnehin ihren wissenschaftlichen Offenbarungseid geleistet.

                    Ungewohnt und so nicht erwartet war das im Kontrast zu den BRD-Vertretern (Ausnahme: Erich Schmidt-Eenboom) erstaunlich sachliche und faire Herangehen der US-amerikanischen und westeuropäischen Tagungsteilnehmer an die zu behandelnde Thematik. Sie verwendeten z.B. durchgängig die Bezeichnung MfS anstatt des diffamierenden Kürzels „Stasi“ und fanden mitunter auch anerkennende Worte für die HVA. So der CIA-Historiker Benjamin B. Fischer, der der HVA „world class“ bescheinigte. Kritik an der Arbeit der HVA gab es übrigens auch aus den eigenen Reihen. Rückschläge und Niederlagen wurden weder vertuscht noch beschönigt.

                    Wenn jedoch von westlicher Seite auf der Tagung bestätigt wurde, dass 1989 sämtliche CIA-Agenten und 160 von 180 BND-Agenten vom MfS überworben waren, so kann durchaus von einer erfolgreichen Arbeit der HVA gesprochen werden, die den Spionage-Krieg gewonnen, aber im Kalten Krieg verloren hat.

                    Für die Historiker brachte die Tagung einen erheblichen Erkenntnisgewinn, dessen ganzer Umfang erst noch sichtbar werden wird, wenn demnächst die Konferenzmaterialien veröffentlicht und Übersetzungen der z.T. in Englisch gehaltenen Beiträge vorliegen werden. Die Beiträge der meisten Teilnehmer beinhalten weit mehr als sie in der limitierten Redezeit vortragen konnten. Leider konnten viele Fragen nicht gestellt und auch nicht beantwortet werden.

                    Die Beiträge der HVA-Delegation, die alle wichtigen Arbeitsfelder der HVA umfassten, stellen notwendige und wertvolle Ergänzungen der bedeutsamen autobiografisch geprägten Bücher von Markus Wolf und Werner Großmann dar. Angekündigt ist außerdem ein eigenes, kollektiv erarbeitetes Buch über die wissenschaftlich-technische Aufklärung der HVA.

                    Wolfgang Schmidt

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                    • Traveller
                      Warrior
                      • 01.04.2006
                      • 68

                      #55
                      Mit freundlicher Genehmigung der Beitrag von Rainer Rupp:

                      Kurz vor dem Atomkrieg
                      Die Aufklärung des NATO-Manövers »Able Archer«: Wie die HVA, der Auslandsnachrichtendienst der DDR, dazu beitrug, den Kalten Krieg kalt zu halten
                      Rainer Rupp arbeitete von 1977 bis 1993 in der Politischen Abteilung im NATO-Hauptquartier in Brüssel. Wegen seiner Tätigkeit für den DDR-Auslandsnachrichtendienst HVA unter dem Decknamen »Topas« wurde er 1994 vom Oberlandesgericht Düsseldorf zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Wir dokumentieren Auszüge aus seinem Referat, das er amWochenende auf Einladung des Zentrums für Studien des Kalten Krieges der süddänischen Universität Odense auf der Konferenz »Hauptverwaltung Aufklärung. Geschichte – Aufgaben – Einsichten« hielt.
                      In keinem seriösen politisch-wissenschaftlichen Diskurs käme jemand auf den Gedanken, den Auslandsnachrichtendienst bzw. die Spionageabwehr eines souveränen Staates in Frage zu stellen, insbesondere nicht unter den Bedingungen des Kalten Krieges. Und würde dies doch jemand tun und z.B. die Existenzberechtigung der britischen, dänischen, spanischen oder polnischen Geheimdienste grundsätzlich anzweifeln, dann würde zu Recht an seinem Menschenverstand gezweifelt. Dennoch passiert genau dies seit 17 Jahren im wiedervereinten Deutschland mit den Geheimdiensten der DDR. Dabei werden die Vorwürfe immer grotesker; schlimmer als zu den kältesten Zeiten des Kalten Kriegs.

                      Ausgerechnet die reaktionärsten Kreise in diesem Land, die Kriege von deutschem Boden aus wieder möglich gemacht haben, ausgerechnet diese Kreise haben es sich zum politischen Ziel gesetzt, den Auslandsnachrichtendienst der DDR, die HVA, zu delegitimieren, zu verhöhnen und zu kriminalisieren. Daß ihnen das bisher nicht so ganz gelungen ist, hat auch damit zu tun, daß der HVA selbst von ehemaligen Gegnern Respekt gezollt wird, nicht nur wegen ihrer außerordentlichen Effizienz und großen Professionalität, sondern auch wegen ihrer Erfolge bei der Sicherung des Friedens in den gefährlichsten Zeiten des Kalten Krieges.

                      Ein Beispiel dafür ist Milton Bearden, der u.a. in Deutschland Stationschef der CIA war und später zum Leiter der Sowjet- und Osteuropaabteilung im Hauptquartier des US-Geheimdienstes avancierte. Bei der Internationalen Spionagekonferenz am 7. Mai 2004 in Berlin sagte Bearden, daß es während des Kalten Krieges in brisanten Situationen sowohl auf seiten der USA als auch der Sowjetunion immer wieder zu gefährlichen »Fehleinschätzungen« und »schwerwiegenden Fehlkalkulationen« gekommen ist. »In der Tat ist hier die Frage angebracht, wie sehr das allgemeine Niveau des Verständnisses (des gegenseitigen Wissens), das den Kalten Krieg kalt hielt, durch die von der HVA … gesammelten Erkenntnisse zusätzlich befördert wurde.« Abschließend gestand er auch der HVA zu, nicht nur der DDR, »sondern auch der Sache des Friedens gut gedient« zu haben.

                      »Did East German Spies Prevent A Nuclear War? – Haben ostdeutsche Spione einen Atomkrieg verhindert?« So lautet der Titel einer Studie des US-Strategen Vojtech Mastny, in der er die hochgefährliche »Ryan«-Krise im Zusammenhang mit dem US-geführten provokativen NATO-Manöver »Able Archer« 1983 untersucht. Er verweist dabei auf die Dokumentation, die zum 20. Jahrestag dieses Manövers auf den Webseiten des Parallel History Project (PHP) veröffentlicht wurden und die von einer »unglaublichen Durchdringung der NATO durch Agenten des Warschauer Vertrags«, aber insbesondere der DDR zeugen. Mastny ist Historiker und außenpolitischer Experte, der u.a. an renommierten US-Universitäten wie Columbia oder der Johns Hopkins School of Advanced International Studies gelehrt hat. Und als Professor für Strategie an der Kriegsakademie der US-Marine ist er auch ganz bestimmt kein Linker oder gar Freund der DDR.
                      Reagans Erstschlagspläne
                      Von den fast 30 Ost-West-Krisen im Kalten Krieg wird gemeinhin die Kuba-Krise als die gefährlichste Konfrontation zwischen den Blöcken gesehen. Das ist leicht verständlich, da die Krise in der Öffentlichkeit ausgetragen wurde und die gesamte Menschheit mit bangte. Die »Ryan«- bzw. »Able Archer«-Krise blieb jedoch nicht nur vor der Öffentlichkeit vollkommen verborgen, auch die meisten Politiker und Militärs erfuhren nichts davon. Dennoch, bei keiner anderen Ost-West-Krise »hat die Welt so nahe vor einem Atomkrieg gestanden, wie bei dem ›Able Archer‹-Vorfall«, schreibt Mastny. Und mit dieser Einschätzung steht er nicht allein, weder in West noch Ost.

                      Auch der ehemalige Chef der I. Hauptverwaltung (Auslandsaufklärung) des sowjetischen KGB zu jener Zeit, Wladimir Alexandrowitsch Krjutschkow, hatte dies noch im vergangenen Jahr deutlich gemacht, als er zum Themenkomplex »Ryan« für den deutschen Dokumentarfilm »Agenten im Kalten Krieg« interviewt wurde. Dieser Film, der ebenfalls zu dem Schluß kommt, daß Kundschafter der HVA womöglich »den Dritten Weltkrieg verhindert« haben, ist kürzlich auf dem renommierten osteuropäischen Filmfestival in der Kategorie TV-Dokumentation ausgezeichnet worden. In der ARD wurde er kurz vor Mitternacht gezeigt, wenn es kaum noch Zuschauer gibt.

                      »Ryan« ist das russische Akronym für die Operation »Raketno Yadernoye Napadenie«, was soviel wie »nuklearer Raketenangriff« bedeutet, den die sowjetische Führung ab 1981 – ein Jahr nach Amtsantritt von US-Präsident Ronald Reagan und seiner eiskalten Krieger – jeden Augenblick erwartete. Dafür hatte Moskau gute Gründe, denn unter Reagan wurde die Entspannungspolitik für tot erklärt. Zugleich wurden mit aggressiven Maßnahmen wie dem militärischen Überfall auf die unabhängige Inselrepublik Grenada 1983 die internationalen Beziehungen vergiftet. Eine gigantische Aufrüstung wurde eingeleitet, inklusive SDI (Star Wars), mit dem Ziel die Sowjetunion »tot zu rüsten« und damit das strategische Gleichgewicht zu Gunsten Washingtons zu kippen.

                      Zugleich prahlten die mit Reagan in Washington an die Macht gekommenen Neokonservativen mit fertig ausgearbeiteten Plänen für den »begrenzten Nuklearkrieg«, der für die USA »führbar und gewinnbar« sei. Schlimmer noch, im Rahmen der sogenannten nuklearen Modernisierung der NATO hatten die Kriegstreiber in Washington die Weichen gestellt, um sich mit Hilfe der Stationierung von Pershing-II-Mittelstreckenraketen in Europa ein vorzügliches Erstschlagspotential für den atomaren Überraschungsangriff auf die zivilen und militärischen Kommando-, Kontroll- und Kommunikationszentren der Sowjetunion zu schaffen.

                      Hier sei daran erinnert, daß nicht nur die Sowjets über diese Entwicklungen höchst alarmiert waren, sondern auch die europäische Öffentlichkeit. Insbesondere in Westdeutschland gingen damals aus Sorge über einen bevorstehenden Krieg, der nicht nur unser Land, sondern ganz Europa vernichtet hätte, Hunderttausende auf die Straße. Gegen die NATO-Politik machten damals in der BRD insbesondere die Grünen mobil. Sie stellten im April 1981 beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe Strafanzeige gegen die Bundesregierung, in der es u.a. hieß: »Da die neuen US-Waffen … ausschließlich und eindeutig die Eigenschaften von Erstschlagswaffen besitzen, die das bislang herrschende atomare Gleichgewicht durchbrechen, macht sich die deutsche Bundesregierung durch ihre Zustimmung zu diesem Stationierungsbeschluß der Vorbereitung eines Angriffskrieges schuldig.«

                      Im Rahmen der Operation Ryan, die als die größte Aktion der sowjetischen Aufklärung in Friedenszeiten im April 1981 startete, wurde versucht, möglichst umfassende Erkenntnisse über die Alarm- und Kriegsplanung der NATO und ihre Angriffsvorbereitungen in Erfahrung zu bringen, um auf dieser Basis im Ernstfall rechtzeitig reagieren zu können. Allerdings ging man in Moskau bereits davon aus, daß man aufgrund der in Europa stationierten US-amerikanischen atomaren Präventiv- und Präemptivschlagskapazitäten nur noch fünf bis acht Minuten Vorwarn- bzw. Reaktionszeit hatte. Bereits bei einem Mißverständnis konnte die nukleare Katastrophe drohen, denn die Sowjets waren natürlich nicht bereit, den drohenden amerikanischen Erstschlag einfach zu absorbieren, ohne vorher mit gleicher Münze zurückzuschlagen.

                      In der KGB-Instruktion Nr. 6282/PR/52 vom 17. Februar 1981 hieß es daher: »Die Tatsache, daß der Feind einen beträchtlichen Teil seiner strategischen Streitkräfte in erhöhter Gefechtsbereitschaft hält, … macht es notwendig, Hinweise für die Vorbereitung eines atomaren Raketenangriffs zu einem sehr frühen Zeitpunkt zu entdecken, noch bevor der Befehl an die Truppen zum Einsatz nuklearer Waffen erteilt wurde.« Daher wurden die sowjetischen Geheimdienstniederlassungen im Ausland angewiesen, auf den kleinsten Hinweis für einen bevorstehenden Atomangriff zu achten. So erhielten die KGB-Residenten am 17. Februar 1983 die Direktive Nr. 374/PR/52, die zwanzig Indikatoren für einen unmittelbaren Kriegsbeginn auflistete, u.a.: »Halte die wichtigsten Regierungsinstitutionen, Hauptquartiere und anderen Anlagen, die an der Vorbereitung eines atomaren Raketenangriffs beteiligt sind, unter ständiger Beobachtung. (...) Bestimme das ›normale Tätigkeitsniveau‹ dieser Ziele während und außerhalb der Arbeitsstunden, z. B. die äußeren Merkmale ihrer täglichen Aktivitäten unter normalen Bedingungen (Differenzen der Zahl der dort geparkten Autos am Tage und am Abend, die Zahl der beleuchteten Zimmer während und nach der Arbeitszeit und Aktivitäten um diese Ziele herum an arbeitsfreien Tagen). Finde auf Basis der festgestellten ›normalen Tätigkeitsniveaus‹, jede Veränderung dieser Merkmale bei Sonderkonferenzen in einer Krisensituation heraus.«
                      Moskau hatte reale Ängste!

                      Der Kulminationspunkt der sowjetischen Kriegsangst kam im Herbst 1983 mit der NATO-Übung »Able Archer«. Ausgerechnet zum Zeitpunkt, da die sowjetischen Aufklärer unter Hochdruck nach Anzeichen für einen nuklearen Erstschlag Ausschau hielten, begann die NATO unter US-Führung ein Manöver, in dem ein solcher Erstschlag unter sehr realistischen Bedingungen geübt wurde. Bereits im Vorfeld des Manövers zeichnete sich ab, daß »Able Archer« dem Szenario folgen würde, das aus der Sicht Moskaus die Vorbereitungsphase für einen atomaren Erstschlag war. Daher befürchtete Moskau, daß unter dem Deckmantel der regelmäßig wiederkehrenden Routineübung der nukleare Überraschungsangriff vorgetragen werden sollte. Nach Meinung der sowjetischen Führung wurden diese Befürchtungen auch durch ungewöhnliche Neuerungen bei »Able Archer 83« bekräftigt.

                      Das zehn Tage dauernde NATO-Manöver begann am 2. November 1983 und umspannte ganz Westeuropa. Zweck der Übung war die Simula*tion einer koordinierten Freigabe von Atomwaffen und deren Einsatz. Das war Routine. Alarmierend waren jedoch die neuen Elemente der Übung. So wurden nukleare Mittelstreckenraketen ins Feld geführt, und zugleich wurde absolute Funkstille befohlen. Außerdem wurde zum ersten Mal ein neues Kodierungsformat für die Nachrichtenübermittlung eingesetzt. Zudem waren zum ersten Mal die Staats- und Regierungschefs der NATO-Mitgliedsländer in die Übung eingebunden, woraus man in Moskau auf deren ungewöhnlich hohe politische Bedeutung schloß. Last but not least gingen die Sowjets – fälschlicherweise – davon aus, daß die USA ihre höchste Alarmstufe »DEFCON 1« ausgerufen hatten, was für einen unmittelbar bevorstehenden Angriff steht. Tatsächlich aber wurde »DEFCON 1« während »Able Archer« nur simuliert.

                      Die sowjetische Führung war offensichtlich vom unmittelbar bevorstehenden US-Angriff überzeugt; sie hatte ihre eigenen strategischen Atomstreitkräfte in den Alarmzustand versetzt und zudem ihre Luftstreitkräfte in der DDR und in Polen alarmiert. Das kleinste Versehen, und die Katastrophe wäre nicht mehr aufzuhalten gewesen.

                      Es sei sicher »keine Übertreibung«, daß die HVA während des Kalten Krieges »die NATO recht gut abgedeckt hatte«. Das hatte Ex-CIA-Abteilungsleiter Milton Bearden in seiner bereits erwähnten Rede in Berlin festgestellt. Auch Professor Mastny schreibt, daß »ostdeutsche Spione sogar an die am besten gehüteten Geheimnisse der NATO herankamen«, um sie dann an die Sowjetunion weiterzugeben. In diesem Zusammenhang stellt er dann die »spannende Frage«, ob DDR-Kundschafter mit Hilfe der von ihnen besorgten Informationen womöglich »die Empfänger in Moskau beruhigt« und auf diese Weise »einen Atomkrieg verhindert« haben.
                      »Topas« in Brüssel
                      Unter dem Decknamen »Topas« arbeitete ich von 1977 bis 1993 in der Politischen Abteilung im NATO-Hauptquartier in Brüssel. Zu meinen Aufgaben gehörte u.a. der Vorsitz der CIG (Current Intelligence Group) im NATO-Lagezentrum. Dieses war das »innerste Sanktum«, das »Allerheiligste«, in dem alle Nervenstränge der NATO zusammenliefen. Zu normalen Zeiten sichteten die Mitglieder der CIG bei Arbeitsbeginn am frühen Morgen die Meldungen, die während der letzten 24 Stunden von den Nachrichtendiensten der NATO-Mitgliedsländer eingegangen waren. Unter meinem Vorsitz, den ich auf wöchentlicher Rotationsbasis ausübte, wurde dann eine Zusammenfassung der wichtigsten Entwicklungen und nachrichtendienstlichen Erkenntnisse angefertigt, die anschließend an die entsprechenden NATO-Dienststellen und an alle Mitgliedsländer geschickt wurde.

                      Bei NATO-Stabsübungen wie WINTEX/*CIMEX oder in Krisensituationen war die CIG ständig besetzt, denn die Gruppe stellte das Nervenzentrum der NATO dar. Ihr Vorsitzender hatte in solchen Fällen die Aufgabe, den NATO-DPC (Verteidigungsplanungsrat), der normalerweise auf oberster Ebene tagte, regelmäßig über die eigene und die Feindlage zu unterrichten. So war ich in der hervorragenden Position, alle aktuellen Entwicklungen und Indikatoren, die eventuell auf einen nuklearen Überraschungsschlag der NATO hingewiesen hätten, rechtzeitig zu erkennen, dokumentarisch zu sichern und nach Ostberlin zu übermitteln. (Ein Alleingang der USA, an der NATO vorbei, wäre für mich jedoch nicht erkennbar gewesen.) Zugleich war ich vollkommen in den alljährlichen integrierten Verteidigungsplanungszyklus der NATO einbezogen. Damit standen mir stets sämtliche diesbezüglichen Dokumente zur Verfügung, die ich auch in ihrer Gesamtheit für die HVA sichern konnte.

                      Bei den Jahrestreffen mit meinen Führungsoffizieren der HVA hatten diese mir bereits die großen Sorgen der sowjetischen Genossen bezüglich »Ryan« ans Herz gelegt. Aber nichts in meinem Umfeld deutete auf die unmittelbare Vorbereitung eines NATO-Erstschlages hin, was ich anhand der gesicherten Materialien dokumentarisch zu untermauern suchte. Dann kam der Herbst 1983, und »Able Archer« rückte näher. Über einen Kurier wurde mir die Dringlichkeit der sowjetischen Befürchtungen nochmals nachdrücklich verdeutlicht.

                      Da es so gut wie unmöglich war, die Abwesenheit der Gefahr eines Erstschlages durch Beteuerungen zu beweisen, ging ich dazu über, systematisch alle CIG-Dokumente und Intelligence Memoranda aus dem Lagezentrum, samt aller anderen NATO-Dokumente über die aktuellen politischen Entwicklungen zu sichern und an die HVA zu schicken. Da ich kein Dokument, egal wie wichtig oder unwichtig, ausließ, und dazu auch noch meine persönlichen Einschätzungen mitlieferte, waren die Genossen in der HVA auf dem gleichen Wissensstand wie ich, und sie konnten daher gegenüber unseren sowjetischen Freunden entsprechend deutlich Stellung beziehen.

                      Wie Werner Großmann, der Nachfolger von Markus Wolf an der Spitze der HVA, in seinem Buch »Bonn im Blick« deutlich macht, kamen auch von anderen HVA-Aufklärern entwarnende Meldungen. Dennoch waren die Sowjets nur zögerlich bereit, selbst nach Beendigung von »Able Archer«, sich zu »entspannen« und zum »normalen« Rhythmus des Kalten Kriegs zurückzufinden. Erst zwei Jahrzehnte später wird der bereits erwähnte ehemalige Chef der KGB-Auslandsaufklärung, Wladimir Krjutschkow, in dem ebenfalls bereits genannten Dokumentarfilm die besondere Rolle der HVA bei der Meisterung dieser schweren Krise öffentlich würdigen.

                      In seiner auf der offiziellen CIA-Webseite veröffentlichten Studie über die »Ryan«- bzw. »Able Archer«-Krise mit dem Titel »A Cold War Conundrum« bestätigt der CIA-Historiker Ben Fisher, daß die US-Führung überhaupt nichts von der sowjetischen Alarmstimmung gewußt hatte und erst viel später von den Briten davon erfuhr, wie nahe wir vor dem Dritten Weltkrieg gestanden haben. Von Selbstbesinnung oder gar Selbstkritik läßt sich in der ersten offiziellen Auswertung der Krise durch die CIA jedoch keine Spur finden. In der Studie »Implications of Recent Soviet Military-Political Activities«, die im Mai 1984 vom CIA-Sowjetologen Fritz W. Ermarth verfaßt worden ist, heißt es: »Wir kommen zu dem Schluß, daß weder die sowjetischen Aktionen von einer ernsten Gefahr eines unmittelbar bevorstehenden Konfliktes mit den USA inspiriert sind noch die sowjetische Führung von einer solchen Bedrohung ausgeht.« Stattdessen tut die CIA-Studie alle Berichte über angebliche sowjetische »Kriegsängste« als anti-amerikanische »Propaganda« ab.

                      Robert Gates, stellvertretender CIA-Chef während der »Able Archer«-Episode und derzeit Präsident George W. Bushs Verteidigungsminister, kam zu einem anderen Schluß, allerdings erst viele Jahre später. Nach dem Ende des Kalten Krieges und nachdem er Einsicht in eine Reihe von Dokumenten aus jener Zeit genommen hatte, die von Moskau zugänglich gemacht worden waren, räumte Gates ein, daß die Situation damals »sehr gefährlich« war und die sowjetische Führung 1983 »geglaubt hat, daß ein Angriff der NATO zumindest möglich war«. Der Fehler der US-Nachrichtendienste war laut Gates, das »wahre Ausmaß« der sowjetischen Ängste »nicht erfaßt« zu haben.

                      Wichtig zum Verständnis der Reaktion der sowjetischen Führung im Rahmen der »Ryan«- bzw. »Able Archer«-Krise ist die Tatsache, daß die Neokonservativen in Washingtons sich nicht damit begnügten, über den begrenzten Atomkrieg zu reden, sondern sie bereiteten ihn offensichtlich auch systematisch vor. Ab Mitte Februar 1981 begannen sie eine Politik ständiger militärischer Provokationen entlang der sowjetischen Grenzen. Dabei drangen US-Einheiten immer wieder im Rahmen streng geheimer Operationen tief in sowjetische Territorialgewässer und in den sowjetischen Luftraum ein, wie das beim bereits genannten CIA-Historiker Ben Fisher nachzulesen ist.

                      Insbesondere im schwach verteidigten sowjetischen Norden gab es ständige Vorstöße amerikanischer Bomber, die oft viele Kilometer in den sowjetischen Luftraum eindrangen, bevor sie abdrehten. Diese Vorstöße sollten nicht nur die Fähigkeiten der sowjetischen Radar- und Luftabwehrsysteme testen, sondern mit Hilfe von Satellitenaufklärung auch die Kommando- und Kommunikationszentren der strategischen Luftverteidigung der Sowjetunion aufspüren, was für die Vorbereitung eines Angriffskrieges von entscheidender Bedeutung war.
                      Scheinheilige Debatte
                      Scheinheiligkeit bestimmt die seit 17 Jahren anhaltende Verteufelung der Deutschen Demokratischen Republik und ihrer Geheimdienste. Als souveräner Staat und als geachtetes Mitglied der Vereinten Nationen hatte die DDR natürlich das Recht, sich gegen offene und verdeckte Angriffe von außen und innen zu schützen. Aber das soll heute auf einmal nicht mehr gelten. Stattdessen wird versucht, die DDR und insbesondere ihre Geheimdienste zu dämonisieren.

                      Während die DDR-Aufklärung verunglimpft wird, arbeiten die Bundesregierung und ihre Geheimdienste, insbesondere der BND, mit den USA und deren Diensten aufs engste zusammen. So wird den USA Deutschland als logistische Basis zur Unterstützung des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs gegen Irak zur Verfügung gestellt, gehen KSK-Soldaten in Afghanistan an der Seite von US-Einheiten auf Menschenjagd.

                      Doch im Unterschied zum »demokratischen« BND hat die »unrechtsstaatliche« HVA niemals freundschaftlichen und enge Beziehungen zu Geheimdiensten wie der CIA unterhalten, die kein Hehl daraus macht, Menschen zu töten, zu foltern oder in geheime Foltergefängnisse zu entführen. Im Unterschied zum BND hat die HVA z.B. keinen illegalen Waffenhandel betrieben oder gesetzwidrig Plutonium in einer Passagiermaschine nach Deutschland eingeschmuggelt. Im Unterschied zum BND hat die HVA keinem fremden Dienst geholfen, die eigenen entführten und gefolterten Staatsbürger zu verhören.

                      Im Unterschied zu den bundesdeutschen Geheimdiensten ist alles bekannt, was die HVA je getan hat. Die Akten sind offen. Die HVA hat keine Morde, keine Totschläge, keine anderweitigen Kapitalverbrechen zu verantworten, sie hat weder mit Menschenhändlern, Drogenbaronen noch anderen Schwerkriminellen zusammengearbeitet. Sie hat auch keine Killer- oder Terroristenkommandos ausgebildet. Weder hauptamtliche und inoffizielle Mitarbeiter noch Kundschafter wurden jemals für derartige Delikte strafrechtlich belangt.

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                      • Traveller
                        Warrior
                        • 01.04.2006
                        • 68

                        #56
                        Nachgehakt:
                        Die Birthler-Behörde BStU geht gegen ihren wissenschaftlichen Mitarbeiter Helmut Müller-Enbergs vor, weil der vor einer Woche an einer Konferenz zur Auslandsaufklärung der DDR-Staatssicherheit im dänischen Odense teilgenommen hatte. Dem Experten für die MfS-Hauptverwaltung Aufklärung sei die Teilnahme ausdrücklich untersagt worden, so der Sprecher der Behörde, Andreas Schulze. Dennoch habe sich Müller-Enbergs an der vom Historiker Thomas Wegener Friis organisierten Runde von Experten und Zeitzeugen beteiligt.

                        Der Politologe, der seit 1992 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Bildung und Forschung der BStU ist, hatte aus Gesundheitsgründen an der Konferenz gar nicht teilnehmen können, aber unter anderem eine Erklärung verlesen lassen, die ausdrücklich auf sein Interesse als Privatmann hinwies. »Ich spreche im eigenen und privaten Auftrag, nicht im Namen und mit Genehmigung eines anderen oder für meinen Dienstherrn. Ich nutze dafür meine Freizeit«, hieß es darin. »Bei sorgfältiger Abwägung zwischen dem Anliegen, über die Einflussversuche und Wirkungsweise des Ministeriums für Staatssicherheit aufzuklären, wie es sich die Bürgerbewegten und die Gründer des Stasi-Unterlagen-Gesetzes wünschten, und den damit verbundenen möglichen Konsequenzen, die das für mich haben kann, entschied ich mich für das Recht als Wissenschaftler, dem wissenschaftlichen Erkenntnisinteresse zu folgen.«

                        Nach Auffassung der Birthler-Behörde sei Müller-Enbergs bekannt gewesen, dass sich sein Arbeitgeber von der Veranstaltung distanziert habe. BStU-Sprecher Schulze wies darauf hin, dass der Wissenschaftler auch in der Rolle eines Privatmannes als Vertreter der Behörde wahrgenommen werde. Deshalb werde es nun Konsequenzen geben, so Schulze, »welche, wird noch geprüft«.

                        Traveller

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                        • Traveller
                          Warrior
                          • 01.04.2006
                          • 68

                          #57
                          Wie kam die Hauptverwaltung Aufklärung an die dänische Universität Odense?

                          Natürlich ohne Verbrüderungsszenen

                          Am vergangenen Wochenende fand an der Universität Odense in Dänemark eine Konferenz unter dem Titel »Hauptverwaltung A - Geschichte, Aufgaben, Einsichten« statt. Diese Tagung war für den 17. Juni in Berlin geplant gewesen, ist jedoch wegen massiver Proteste sowie der Aufkündigung der Mitarbeit seitens der Behörde für die Unterlagen der Staatssicherheit der DDR (BStU) abgesagt worden (ND berichtete). Unter den 250 Teilnehmern in Odense waren 60 ehemalige Mitarbeiter der HVA. ND sprach mit zwei von ihnen, Klaus Eichner, Jg. 1939, einst für Gegenspionage CIA und MI 6 zuständig, und Gotthold Schramm, Jg. 1932, spezialisiert auf bundesdeutsche Geheimdienste, vor allem BND.

                          • Was hat Odense mit der HVA gemein?

                          Schramm: Die dortige Universität ist ganz sicher nicht eine Residentur der HVA gewesen, wenn Sie das meinen. Aber am dortigen Institut für Studien des Kalten Krieges arbeiten eben echte Wissenschaftler, die sich von Forschungsinteressen und nicht Vorurteilen leiten lassen. Dort entstand auch die Idee zu einer solchen Konferenz. Der ursprünglich für Juni in Berlin angesetzten Konferenz waren Gespräche und Abstimmungen vorausgegangen, an denen Vertreter der dänischen Universität, der Birthler-Behörde und ehemalige HVA-Mitarbeiter teilnahmen. Übereinstimmung bestand darin, dass Wissenschaftler und Zeitzeugen gemeinsam einen neuen Abschnitt in der Aufarbeitung der Geschichte der HVA einleiten sollten.

                          • Wegen der in Deutschland aufgepeitschten, in eine Sackgasse geratenen Diskussion?

                          Schramm: So ist es. Wobei es von vornherein keine Zweifel gab, und dies auch für die Konferenz ausdrücklich gewünscht war, dass unterschiedliche und gegensätzliche Positionen aufeinandertreffen.

                          • Deutschen Presseberichten zufolge war der Trip nach Odensee ein »Brigadeausflug der Stasi«?

                          Eichner: Unsinn. Die Zahl der Wissenschaftler übertraf bei Weitem die der ehemaligen HVA-Mitarbeiter. Es waren renommierte Wissenschaftler aus den USA und Großbritannien anwesend.

                          • Eine nostalgische, verklärende Rückschau war also den »Ehemaligen« dort nicht gestattet?

                          Schramm: Die elf Referenten der HVA haben zu ihren Erfolgen und Problemen gesprochen. Sie verhehlten auch nicht, dass sie ihre Arbeit in der Zeit des Kalten Krieges als einen Beitrag für die Erhaltung des Friedens und zur Verhinderung eines heißen Krieges verstanden haben. Und sie haben ihre Genugtuung darüber zum Ausdruck gebracht, dass dies gelungen ist. Werner Großmann, letzter Leiter der HVA, bemerkte in seinem Referat, dass die HVA nicht wie andere Geheimdienste an Staats*streichen, Ermordungen und Entführungen beteiligt war. Das wurde in einigen Presseveröffentlichungen hierzulande gleich als »Rechtfertigung« oder gar »Lebenslüge« disqualifiziert.

                          • Was ist beispielsweise mit der Entführung von Heinz Brandt aus West- nach Ostberlin 1961? Eichner: Für diesen Vorgang war keine Diensteinheit der HVA verantwortlich.

                          Schramm: Ein Ruhmesblatt war das sicher nicht. Man muss aber die damalige politisch aufgeheizte Situation sehen.

                          • Wie verhielten sich in Odense die Wissenschaftler zu den »Ehemaligen«? Hart oder herzlich?

                          Eichner: Ein britischer Historiker hat die Ausführungen von Rainer Rupp als ehemalige Spitzenquelle »Topas« im NATO-Hauptquartier in Brüssel attackiert. Sein unlogischer Einwand, ob Rupp mit seinen Informationen nicht das Geschäft der CIA oder des BND besorgt habe, wurde jedoch von anderen Teilnehmern belächelt.

                          Bei anderer Gelegenheit hat übrigens Milton Beardon, Deutschland-Chef der CIA, später Leiter der Sowjet- und Osteuropa-Abteilung im CIA-Hauptquartier in Langley, gesagt: »Die HVA hat auch der Sache des Friedens gedient.«



                          • Sie hat aber fast die Fortsetzung der Neuen Ostpolitik von Willy Brandt gefährdet, mit Guillaume.


                          Eichner: Der Fall wurde von den Gegnern der Entspannungspolitik, darunter Verfassungsschutzpräsident Günther Nollau, manipuliert und als Vorwand zum Sturz von Brandt und zur Torpedierung seiner Ostpolitik missbraucht. Leitende HVA-Mitarbeiter sahen diesen Vorgang im Rückblick zwar auch kritischer und haben sich öffentlich entschuldigt, die HVA hat aber nie wissentlich die Entspannungspolitik gefährden wollen, schon gar nicht bekämpft, wie manche behaupten. Dieses Thema sollte auch in Odense diskutiert werden, doch dazu kam es aus Zeitgründen nicht. Da hätte man an das Scheitern des Misstrauensantrages gegen Brandt 1972 durch die von der HVA besorgte Stimme des CDU-Abgeordneten Steiner erinnern können. Da wäre zu sprechen gewesen über die nachweisbare HVA-Einflussnahme zur Fortsetzung des Entspannungsprozesses. Das betraf sowohl die Informationsbeschaffung als auch operative Kontakte im Rahmen der »back channels«.

                          • Können Sie diesen »nachweisbaren Einfluss« konkretisieren?

                          Eichner: Dazu sprach in Odense Professor Herbert Bertsch. Er zitierte Markus Wolf 1994: »Wenn wir in gewisser Weise eine friedenserhaltende Funktion ausgeübt haben, so glaube ich, dass wir dies teilweise durch Kontakte vermochten, ähnlich wie das sonst ja auch Diplomaten tun.«

                          • In jüngster Zeit hat es vor allem öffentlichen Streit hierzulande darum gegeben, inwieweit das MfS alte Nazis rekrutierte. Womit Sie sich in Ihrem neuen Buch »Angriff und Abwehr« auseinandersetzen. War das ein Thema in Odense?

                          Eichner: Ja. Ein dänischer Assistenz-Professor zeigte sich allerdings überrascht über die in diese Kerbe schlagenden Vorträge von zwei der Bundesregierung Deutschland nahestehenden Referenten. Man kann sich dazu in unserem, bei Edition Ost erschienenen Buch über die deutschen Geheimdienste nach 1945 schlau machen. Bemerkenswert ist, dass jetzt die FDP-Bundestagsfraktion eine kleine Anfrage gestartet hat, um sich über die Aufarbeitung der Gründungsgeschichte bundesdeutscher Nachrichtendienste zu informieren. Sie will wissen, welche Kontinuitätslinien aus der Nazi-Zeit es bei Verfassungsschutz und BND gab, und fragte direkt an, ob es zutrifft, dass in den 50er und 60er Jahren frühere Gestapo-Mitarbeiterführende Positionen beim Verfassungsschutz innehatten.

                          • Wie stand es mit selbstkritischen Reflexionen der »Ehemaligen« in Odense?

                          Schramm: Eine niederländische Historikerin wusste einige Beiträge von HVA-Vertretern als selbstkritisch zu schätzen. Dahingegen hat der Mitarbeiter am Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik Armin Wagner nach dem Beitrag eines ehemaligen HVA-Mitarbeiters über die Bearbeitung der bundesdeutschen Nachrichtendienste gefordert, er möge nun auch die Misserfolge des MfS darlegen.

                          • Warum auch nicht?

                          Schramm: Wagner ist Koautor eines Buches über die Militärspionage des BND gegen die Sowjetarmee in der DDR. Darin gibt es kaum Hinweise auf die Misserfolge und Pannen des BND, keine Erwähnung des Überläufers einer Westberliner Filiale der Organisation Gehlen 1953, kein Hinweis auf die Rolle des KGB-Spions Heinz Felfe bei der Neutralisierung der Gegenspionage des BND, erst recht nicht über die Paralysierung der DDR-Spionage des BND durch die HVA-Quellen der 70er und 80er Jahre.

                          • Waren das nun Mitarbeiter aus ideelen oder eher rein materiellen Motiven?



                          Schramm: Wagner behauptete auf der Konferenz, 90 Prozent der HVA-Quellen seien aus schnöden finanziellen Gründen für die DDR-Aufklärung tätig gewesen. Dabei stützt er sich auf die Ausarbeitung eines Mitarbeiters der Birthler-Behörde, der in Auswertung von Gerichtsverfahren diese Zahl ermittelt haben will. Dort wurden alle finanziellen Zuwendungen an die Quellen, einschließlich Aufwands- und Reiseentschädigungen, als »Agentenlohn« zusammengezählt. Bei einer solchen Milchmädchen-Rechnung sollte man nach wissenschaftlicher Qualität fragen.

                          Eichner: Interessanterweise wertete der langjährige Leiter der Geschichtsabteilung der CIA, Benjamin B. Fisher, es als einen der schwerwiegendsten Fehler der CIA, über Jahrzehnte die HVA in ihrer Professionalität unterschätzt, sie nur als einen kleinen Ableger des KGB betrachtet zu haben. Die Quittung dafür sei gewesen, dass alle Agenten der CIA vom MfS als Doppelagenten geführt wurden. Er sagte, die HVA sei einer der effektivsten Nachrichtendienste des Warschauer Vertrages gewesen.



                          • Balsam für die geschundene Agentenseele? Also war die Konferenz doch ein »Brigadeausflug«?



                          Eichner: Die Fakten lassen sich doch durch solche Titulierungen nicht leugnen. Geheimdienst-Experte Erich Schmidt-Eenboom legte dar, dass 1988 der BND rund 180 Agenten gegen die DDR geführt hatte. Davon waren 160 Doppelagenten des MfS, 20 Quellen blieben unentdeckt, unter jenen jedoch nur zwei, drei mit dem Anspruch einer Innenquelle. Und der walisische Historiker Paul Mad-drell meinte, die DDR sei durch Spionageangriffe westlicherseits gezwungen gewesen, mit Gegenaktionen zu antworten. Es gab keine eingebildeten Bedrohungen.

                          • Über solchen Konsens müssen Sie erfreut gewesen sein?

                          Schramm: Es gab keine Verbrüderungsszenen. Es wurde kein Abschlusskommunique verabschiedet. Es gab eine kontroverse, teils hitzige Diskussion. Das hat der Konferenz nicht geschadet, im Gegenteil. Sie brachte Erkenntnisgewinn für beide Seiten, Ex-Geheimdienstmitarbeiter und Wissenschaftler. Beide Seiten standen sich auch nicht in Blockkonfrontation gegenüber. Mehrere Teilnehmer haben sich positiv über den Ertrag der Konferenz geäußert. Eine Historikerin aus den USA sah sich angeregt, entgegen ihren ursprünglichen Plänen weiter auf diesem Gebiet zu forschen. Und die schon erwähnte Niederländerin, die sich zwar etwas mehr wissenschaftliche Reflexionen gewünscht hätte, meinte dennoch, die Konferenz sei »hochspannend« gewesen. Der Leiter des gastgebenden Zentrums, Thomas Wegener Frijs, schätzte ein, dass die Konferenz »vernünftig« abgelaufen sei. Presseverlautbarungen wie »ein lächerliches und enthüllendes Stelldichein der Gespenster« oder Versammlung »alter Männer auf Krücken und in Gesundheitsschuhen« diskreditieren auch die Wissenschaftler. Fragen: Karlen Vesper

                          Quelle:ND

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                          • Traveller
                            Warrior
                            • 01.04.2006
                            • 68

                            #58
                            Nachdem ich mich mal bei 3sat, im Kulturspiegel dieser Woche bewundern konnte,unterlegt mit den allseits einseitigen Kommentaren zur Konferenz,wollte ich auch noch mal kurz auf die Medien in DK dazu eingehen.
                            Von Seiten der Universität in Odense wurde im Vorfeld rund um diese Veranstaltung eine positive Resonanz erzeugt.Einen Umschwung in der Berichterstattung-Tagespresse-gab es,als man den Tenor der dort vor Ort wirkenden deutschen Medienvertreter vorurteilslos übernahm.So wurden in verschiedenen Zeitungen,Zitate und Meinungen des dort sehr umtriebig wirkenden Dr.Jens Gieseke(B-Behörde) zitiert und die Schlagzeilen waren vorgegeben.
                            Das führte dazu,daß es auch in DK zu gleichlautenden Berichten wie in D. kam.Z.B."Jyllandsposten"
                            Kritisiert wurde in DK dabei auch,ob es sich ein eher Mitte-Rechts stehender stellvtr. Bürgermeister von Odense erlauben kann,ehemalige "Stasigrössen"und die angereisten Historiker im Vorfeld der Tagung,im Rathaus zum Begrüssungsempfang zu laden.
                            Im dänischen Staatsfernsehen wurden in den Nachrichtensendungen Interviews,mit dem Veranstalter Wegener-Friis,vor und nach der Tagung ausgestrahlt.Ausserdem wurden je ein Einzelinterview mit Rainer Rupp und Gabriele Gast an den Konferenztagen zur besten Sendezeit Abends gebracht.Allgemeine Infos zur Tagung gab es ausserdem.
                            Das diese Tagung auch noch Auswirkungen danach hat und auch noch medial haben wird,davon kann man getrost ausgehen.Warte schon auf den Konferenzreader,der schnellstens erscheinen soll.
                            Persönlich habe ich zwei Interviewangebote dänischer Zeitungen erhalten und eine persönliche Anfrage zu geschichtlichen Hintergründen.

                            So ganz hat es wohl nicht geklappt,eine Historikerkonferenz mit Zeitzeugen,zu einem beabsichtigten/gewünschten Tribunal der vermeintlichen Sieger umzufunktionieren.

                            P.S:Ich werde hier informieren,sobald der Konferenzreader erscheint und die Bezugsquelle mitteilen.Es sind Perlen für den geschichtlich Interessierten dabei.
                            Traveller

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                            • Traveller
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                              • 01.04.2006
                              • 68

                              #59
                              Lassen wir doch die Historiker dieser Konferenz selber zu Wort kommen:

                              -Vor allem bei Wissenschaftlern aus dem Ausland stieß die Konferenz auf Resonanz. »Das war hochspannend. Ich habe noch nie so viele interessante Details erfahren«, lobte die niederländische Historikerin und Autorin Dr. Beatrice de Graaf. »Von der HVA-Seite gab es selbstkritische und gut formulierte Beiträge, bei manchen Referaten wäre aber vielleicht etwas mehr wissenschaftliche Reflexion nötig gewesen.« Klaus Schulze, Assistenz-Professor an der Universität Roskilde (Dänemark), zeigte sich überrascht »von der problematischen wissenschaftlichen Qualität von zwei der Bundesregierung nahestehenden Referenten«. Der deutsche Friedensforscher Erich Schmidt-Eenboom hob den internationalen Aspekt hervor: »Es hat sich ausgezahlt, daß Referenten aus Drittstaaten in die Konferenz einbezogen wurden«---»Ich hoffe, daß diese neue Sachlichkeit auch nach Deutschland überschwappt.«

                              Prof. Dr. Kristie Macracis( USA):
                              Haben Sie Impulse für neue Forschungen bekommen?
                              Ich wollte eigentlich die Beschäftigung mit diesem Komplex abschließen, bevor ich nach Odense kam. Jetzt sehe ich aber, daß es weitere reizvolle Themen gibt. Die Konferenz hat viele neue Anregungen gegeben.

                              Dr.Müller-Enberg:

                              "Bei sorgfältiger Abwägung zwischen dem Anliegen, über die Einflußversuche und Wirkungsweise des Ministeriums für Staatssicherheit aufzuklären, wie es sich die Bürgerbewegten und die Gründer des Stasi-Unterlagen-Gesetzes wünschten, und den damit verbundenen möglichen Konsequenzen, die das für mich haben kann, entschied ich mich für das Recht als Wissenschaftler, dem wissenschaftlichen Erkenntnisinteresse wesentlich zu folgen.«
                              Der Mann hat jetzt Schwierigkeiten im Hause Birthler.Da frage ich mich, wenn Birthler ihren Historikern das versierte Fragen, das Einordnen und Bewerten von mündlichen Quellen nicht zutraut was anderthalb Jahrzehnte wissenschaftliche MfS-Aufarbeitung ihrem Haus an Kompetenz gebracht haben.

                              Zur Frage der Unabhängigkeit der deutschen Zeitgeschichtsforschung,gestern noch gefunden, als Antwort auf die Frage eines HVA-Referenten:

                              "G.S......hatte von einem „Geheimhaltungsfetischismus“ des BND, über das „Deutungsmonopol der Sieger“ usw. palavert und - man glaubt es nicht! - die Freigabe sämtlicher BND-Akten gefordert. Tja, wer wohl sollte dem Manne diesen Gefallen tun??"
                              Zitat von einem Dr. phil. Wolfgang Mayer

                              Was verstehst man dann unter wissenschaftlicher,unabhängiger Zeitgeschichtsforschung in D.?
                              Eine Frage steht doch immer bei zeitgeschichtlicher Forschung im Raum--Ursache und Wirkung!!
                              Unabhängige Forschung?Warum berichte ich aus Odense und nicht aus Berlin,wenn es um deutsche Zeitgeschichte geht?

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                              • Traveller
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                                • 01.04.2006
                                • 68

                                #60
                                Ein Beispiel zur Berichterstattung-aus dem "Stern".
                                Wissenschaft oder Aktendeuter?


                                Zitat:
                                Und Müller-Enbergs fragte, ob die HVA vielleicht schon "Jahre vor dem Ende am Ende gewesen" sei - weil die Informanten älter wurden und neue schwerer zu gewinnen waren.
                                Auf diese Fragen gaben die ehemaligen Stasi-Offiziere eher pauschale oder gar keine Auskünfte.
                                Ende Zitat
                                Abgesehen davon,daß Enbergs Beitrag verlesen wurde und er nicht persönlich dabei war,mal ein Beispiel der Wissenschaftlichkeit von Birthler +Co.
                                Herausgepickt wurde die Sektion Politische Spionage der HVA zur Bewertung und man stellte fest,daß die in der Politik gut positionierten Quellen z.B in der Bundesrepublik der HVA,mindestens Mitte 40 und aufsteigend älter waren.Diese Erkenntnis wiederum ließ den Schluss zu,alle HVA-Kundschafter wären überaltert-die hatten Nachwuchssorgen.
                                Wer etwas vom Gewerbe versteht wird wissen,welch ein langer Zeitraum nötig ist ,um einen Aufklärer in der richtigen politischen Funktion zu positionieren.
                                Umkehrschluss:Weil kein 18jähriger IM im Bundestag saß,war die gesamte HVA ohne Nachwuchs.
                                So weit zur Aussagefähigkeit dieser Zahlen und"die Stasioffiziere gaben pauschale Antworten..."
                                Soll man bei der Kürze der Zeit, bei solcher Konferenz, noch das Geheimdienst Einmaleins vermitteln?

                                Traveller

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