Südostbayern 1979 - Sicherung und Verteidigung - der Fall Österreich

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  • Nemere
    Cold Warrior
    • 12.06.2008
    • 2802

    #1

    Südostbayern 1979 - Sicherung und Verteidigung - der Fall Österreich

    Anbei zwei Operationspläne der 1. LLDiv für die Sicherung bzw. Verteidigung Südost-Bayerns / Grenze zu Österreich aus dem Jahre 1979.

    Für die Phase der Sicherung standen zur Verfügung:
    - 1. LLDiv mit LLBrig 25. An Divisionstruppen gab es nur das FmBtl 9 und die FJgKp 9.
    - PzAufklBtl 10
    - PiBtl 240
    - VKK 662 in EGGENFELDEN mit einer Sicherungskompanie und einem Sicherungszug
    - VKK 654 in TRAUNSTEIN mit einem Sicherungszug
    - Jägerbataillon (TerrH) 760 im Verfügungsraum nördlich MARKT SCHWABEN
    - Heimatschutzkommando 18 im Verfügungsraum südostwärts MÜNCHEN.

    Überwacht wurde die gesamte Grenze entlang Inn und Salzach zwischen PASSAU und BAD REICHENHALL, der Inn zwischen MÜHLDORF und WASSERBURG sowie ein Objekt bei PFARRKIRCHEN. Schwerpunkte waren die in der Karte eingezeichneten Grenzbrücken sowie die Innbrücken in MÜHLDORF, KRAIBURG und WASSERBURG. Es ist anzunehmen, dass die Brücken an der Grenze zur Sprengung vorbereitet waren.
    Bei einem Angriff des Warschauer Paktes durch Österreich war das Verhalten gegenüber ausweichenden österreichischen Kräften, die auf das Staatsgebiet der BRD überwechseln wollten, eine entscheidende politische Frage. Leider ist mir nicht bekannt, auf welcher Ebene hier die Entscheidungsbefugnis lag, falls österreichische Truppen an der Grenze erschienen wären und die Frage der Brückensprengung im Raum stand, weil Truppen des WP nachdrängten: Brigadekommandeur LLBrig 25 oder DivKdr 1. LLDiv oder WBK VI / II. Korps oder CENTAG oder noch höher.
    Der Inn zwischen Mühldorf und Wasserburg mitsamt dem Innwerkkanal war ebenso wie die Alz und der Alzwerkkanal mit sehr vielen vorbereiteten Sperreinbauten versehen und wäre die zweite Verteidigungslinie gewesen.


    Für die Verteidigung war der Einsatz der 10. PzDiv nördlich der Linie DORFEN – MÜHLDORF – SIMBACH vorgesehen. Das Gelände hier ist flachwellig, die größeren Flüssen verlaufen alle in West-Ost-Richtung, es gibt also keine größeren Geländehindernisse, der Raum ist panzergünstig, daher wäre hier weder mit der LLBrig 25 noch mit dem HSchKdo 18 viel auszurichten gewesen.

    Südlich der genannten Führungslinie war der Einsatz des Heimatschutzkommandos 18 des WBK VI vorgesehen, das sich damals im Wesentlichen gliederte in:
    - Zwei Jägerregimenter mit je 2 Bataillonen. Jedes Btl hatte Stabs- u. VersKp und 4 Jägerkompanien. Als schwere Waffen gab es allerdings nur 7 PAL COBRA in der St/VersKp.
    - Vier Panzerjägerkompanien mit KPz M 48
    - zwei Mörserkompanien mit je 18 Mörsern 120 mm
    - ein leichtes Pionierbataillon
    - ein Versorgungsbataillon

    Mit faktisch vier Panzerkompanien, 36 Mörsern und einer sehr hohen Infanteriestärke verfügte das HSchKdo bei realistischer Betrachtung über eine deutlich höhere Kampfkraft (vor allem für Gegenstöße) als die weiter südlich eingesetzte LLBrig 25, die zwar TOW hatte, die aber nur ungepanzert auf dem bekannt problematischen KraKa beweglich waren.

    Südlich der Linie ALTENMARKT/ALZ – FRIDOLFING war die LLBrig 25 eingesetzt, Schwerpunkt der Verteidigung war hier im Zuge der Autobahn A 8 zu sehen.
    Der Raum südlich der Autobahn bis zur Landesgrenze sollte wegen des Hochgebirgscharakters nur überwacht werden.

    Eine Divisionsreserve, über deren Zusammensetzung und Stärke allerdings aus dem graphischen OpPlan nichts hervorgeht, war im Raum TROSTBERG geplant. Dieser Raum galt auch als Schlüsselgelände, da hier von einem Angreifer ALZ und ALZKANAL gleichzeitig überwunden werden konnten, das westlich anschließende flache Gelände keine Hindernisse aufwies und ein schneller weitere Vorstoß Richtung WASSERBURG zum INN und dann weiter Richtung MÜNCHEN möglich gewesen wäre.
    Als Artillerieführer war der Artillerie-Regimentsstab 200 z.b.V. des II. Korps vorgesehen, die Artillerieeinheiten wären wahrscheinlich von den damals noch vorhandenen Korpsartilleriebataillonen (210 usw.) gekommen, evtl. auch von der 10. PzDiv.
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  • Dragoner
    Cold Warrior
    • 15.03.2008
    • 2130

    #2
    Zitat von Nemere Beitrag anzeigen
    Bei einem Angriff des Warschauer Paktes durch Österreich war das Verhalten gegenüber ausweichenden österreichischen Kräften, die auf das Staatsgebiet der BRD überwechseln wollten, eine entscheidende politische Frage. Leider ist mir nicht bekannt, auf welcher Ebene hier die Entscheidungsbefugnis lag, falls österreichische Truppen an der Grenze erschienen wären und die Frage der Brückensprengung im Raum stand, weil Truppen des WP nachdrängten: Brigadekommandeur LLBrig 25 oder DivKdr 1. LLDiv oder WBK VI / II. Korps oder CENTAG oder noch höher.
    Nach meinem Kenntnisstand wäre die Frage nach D+2 bis D+3 akut geworden. Welche militärische Ebene seitens der NATO Entscheidungsbefugnis besessen hätte, kann ich nicht sagen. Politisch war damals relativ klar, dass spätestens an D-3 Österreich auch bei einer tendenziell zögerlichen Regierung die Neutralität begraben und die NATO um Beistand ersuchen würde. Es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass dies unter Umständen (Kernwaffeneinsatz?) bereits an D+1 geschehen wäre.

    Nachdem Österreich zwischen den Kommandobereichen von AFCENT und AFSOUTH lag, war nicht unwesentlich, welche Angriffsoperationen des Warschauer Paktes in welcher Geschwindigkeit erfolgreich ausgeführt werden konnten. Ein schneller, sichelartiger Stoß aus Südböhmen über Oberösterreich und Salzburg nach Bayern zum "outflanking" der CENTAG schien innerhalb des genannten Zeitraumes (D+2 bis D+3) realistisch. Dieser Sichelstoß wäre um eine Angriffsoperation aus dem Raum Südmähren, Slowakei und Ungarn auf den Zentralraum Wien und entlang der Donau nach Westen ergänzt worden.

    Die größere Unwägbarkeit betraf den Süden. Es wäre vor allem die Aufgabe ungarischer Truppen gewesen, südlich der Alpen über die Steiermark und Kärnten in Richtung Oberitalien anzugreifen. Dazwischen liegen zwei Hochgebirgskämme. Die militärische Führung in Budapest war, wie wir heute wissen (und, räusper, auch damals wussten), hinsichtlich der operativen Aufgabe nicht gerade euphorisch (mechanisierte Truppen ohne jede Gebirgsausbildung). Noch komplexer wurde die Lagebeurteilung im Süden Österreichs durch die Unwägbarkeit des Verhaltens Jugoslawiens.

    Ungeachtet dessen kann man die hypothetische Frage nach dem Vorlauf einer Entscheidung der NATO über den Umgang mit ausweichenden, an die Grenze gedrückten österreichischen Truppen auch stark abkürzen: nach 48 bis 72 Stunden (also D+2 bis D+3) wären die Munitionsbetände des Bundesheeres aufgebraucht gewesen.

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    • tannenzapfen
      Cold Warrior
      • 25.01.2022
      • 427

      #3
      Zitat von Nemere Beitrag anzeigen
      Mit faktisch vier Panzerkompanien, 36 Mörsern und einer sehr hohen Infanteriestärke verfügte das HSchKdo bei realistischer Betrachtung über eine deutlich höhere Kampfkraft (vor allem für Gegenstöße) als die weiter südlich eingesetzte LLBrig 25, die zwar TOW hatte, die aber nur ungepanzert auf dem bekannt problematischen KraKa beweglich waren.
      Gab es eigentlich Pläne, die 1. Luftlandedivision (oder vielleicht auch die Brigaden) dahingehend verstärkt zu befähigen? Die Rolle der 1. Luftlandedivision hat sich ja im Laufe der Planungen doch deutlich geändert, aber die Divisionstruppen blieben ja doch eher rundimentär ausgeprägt.

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      • Nemere
        Cold Warrior
        • 12.06.2008
        • 2802

        #4
        Zitat von tannenzapfen Beitrag anzeigen
        Gab es eigentlich Pläne, die 1. Luftlandedivision (oder vielleicht auch die Brigaden) dahingehend verstärkt zu befähigen?
        Es war eher anders herum – die Luftlandedivision hatte anfangs zumindest ansatzweise die Gliederung einer Division und wurde Mitte der 1960er Jahre radikal gekürzt.

        Dazu sollte man einen Blick auf die Entwicklung der LL-Div werfen.
        1955 war keine LL-Div geplant, die NATO hielt deutsche Luftlandetruppen ebenso wie Gebirgstruppen insgesamt für unnötig. Neben den 12 der NATO zugesagten Divisionen sollten trotzdem nach deutscher Planung noch zwei Luftlandebrigaden und zwei Gebirgsbrigaden treten. Als sich 1956 zeigte, dass die ambitionierten Aufstellungsplanungen nicht einzuhalten waren, beschloss man als Teil der zugesagten zwölf Divisionen je eine Luftlande- und eine Gebirgsdivision aufzustellen, dazu wurden die bereits vorhandenen Einheiten der speziellen Brigaden herangezogen. Weitere Gründe für die Aufstellung dieser beiden „Spezial“-Divisionen waren:
        a) es hätte sich um „leichte“ Divisionen mit recht geringem Anteil an schwerem Gerät gehandelt, sie wären also billiger als normale Divisionen gewesen.
        b) man erhoffte sich bei beiden Divisionen ein erhöhtes Freiwilligenaufkommen.

        Die Luftlandedivision erhielt anfangs zumindest einen Teil der Divisionstruppen (Raketenartillerie, Pionierbataillon, Flugabwehrbataillon, Versorgungsteile), ein Luftlande-Panzerbataillon, eine Aufklärungskompanie und bei den Brigaden Luftlandeartilleriebataillone. Bis 1965 / 1970 wurden diese Truppen vor allem zur Aufstellung der 12. Panzerdivision, in geringem Maß auch für die1. Gebirgsdivision herangezogen. Das Luftlande-Fernmeldebataillon 9 wurde nur erhalten, weil es gleichzeitig Lehr-Fernmeldebataillon war.

        Die Gebirgsdivision hatte bereits Anfang der 1960er Jahre drei Brigaden, davon eine mechanisierte / gepanzerte Brigade und war damit auch am VRV einsetzbar. Die Luftlandedivision erhielt erst 1970 die dritte Brigade und hatte keinerlei gepanzerte Kräfte, was sie eigentlich als Korpsreserve unbrauchbar machte. Aber das haben wir schon einmal diskutiert.

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        • Dragoner
          Cold Warrior
          • 15.03.2008
          • 2130

          #5
          Zitat von Dragoner Beitrag anzeigen
          Nach meinem Kenntnisstand wäre die Frage nach D+2 bis D+3 akut geworden. Welche militärische Ebene seitens der NATO Entscheidungsbefugnis besessen hätte, kann ich nicht sagen. Politisch war damals relativ klar, dass spätestens an D-3 Österreich auch bei einer tendenziell zögerlichen Regierung die Neutralität begraben und die NATO um Beistand ersuchen würde. Es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass dies unter Umständen (Kernwaffeneinsatz?) bereits an D+1 geschehen wäre.
          Bin eben von einem intimen Kenner der damaligen Verhältnisse dahingehend belehrt worden: Das Bundesheer ging immer davon aus, dass der Warschauer Pakt bereits am ersten Kriegstag Kernwaffen einsetzen würde. 2001 gab es dafür die späte Bestätigung durch Dokumente aus dem ungarischen Verteidigungsministerium - es waren 12 Kernwaffenschläge gegen Ziele in Österreich geplant. Das Bundesheer war im Kalten Krieg allerdings davon ausgegangen, dass es sich in erster Linie um kleinere taktische Atomwaffen handeln würde, um den Widerstand in den stark befestigten, sogenannten Schlüsselzonen der österreichischen Raumverteidigung zu brechen. Die ungarischen Archive belegen jedoch, dass der Warschauer Pakt vor allem Massenmord an der Zivilbevölkerung begehen wollte. Bei den 12 Zielen handelte es sich um zwei Militärflugplätze, eine Kommandozentrale - und 9 städtische Ballungsräume. Wien zum Beispiel wäre mit zwei 500-kt-Bomben dem Erdboben gleichgemacht worden.

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          • Dragoner
            Cold Warrior
            • 15.03.2008
            • 2130

            #6
            Nachtrag: Erstens, die Planungen hatten Gültigkeit bis weit in die 1980er Jahre und wurden erst unter Gorbatschow revidiert, als das sowjetische Imperium bereits im Sterbebett lag. Zweitens, die Sowjets hatten in ihren Planungen die (übrigens bis heute in Verwendung stehende) "Einsatzzentrale Basisraum" (EZB) erstaunlicherweise NICHT als Ziel eines Kernwaffenangriffs vorgesehen. Dürfte nicht zuletzt auf die Lage und Bauweise der EZB zurückzuführen sein (300 Meter unter Fels), kann damals aber auch politische Gründe gehabt haben (Kriegsstationierungsobjekt der militärischen und politischen Staatsführung, von der man sich von sowjetischer Seite allenfalls eine Kapitulation erhofft hätte).

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