Wenn es zu einem Angriff gekommen währe?

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  • Ritchie 66
    Cold Warrior
    • 09.07.2011
    • 444

    #1

    Wenn es zu einem Angriff gekommen währe?

    Hallo,
    ich habe zwar schon einiges durchgelesen hier im Forum, hätte jedoch an die Experten unter euch noch einige Fragen.

    Ich interessiere mich im speziellem dafür wie die Situation sich bei einem Angriff des WP auf die Bundesrepublik im Bereich Niederbayern/Oberpfalz dargestellt hätte. Wie hätte ein solcher Angriff in dem Bereich aus der CSSR ausgesehen? Welche Truppen verfügte die UDSSR in der CSSR und welche Stärke hatten die tschechischen Truppen. Wie hätten die hier stationierten Truppenteile der Bundeswehr und die der Amerikaner reagiert?

    Würde mich über Antworten von Euch freuen.

    Gruß
    Ritchie 66
  • Nemere
    Cold Warrior
    • 12.06.2008
    • 2834

    #2
    Eine eingehende Antwort auf Deine Fragen würde den Umfang des Forums sprengen.

    Ganz kurz einige Stichpunkte:

    Ein Angriff des WP aus der CSSR heraus war immer nur als Nebenstoß zu sehen, er ist immer zur Unterstützung des Angriffs anderer Kräfte entlang einer der Hauptstoßrichtungen zu sehen. In Frage kam hier vor allen die Unterstützung des Hauptstoßes im bayerischen Norden mit der Angriffsache in der Senke zwischen Fichtelgebirge und Frankenwald (Autobahn A 9) und der Zielrichtung Nürnberg – München angenommen werden.
    Dieser Angriff hätte durch eine Operation aus der CSSR heraus unterstützt werden können, so dass es im günstigsten Fall zu einer Spaltung der Verteidigungskräfte der NATO und einer Einschließung der NATO-Truppen in Nordbayern gekommen wäre.

    Hauptangriffsachsen aus der CSSR war die damalige B 14 (Waidhaus – Sulzbach-Rosenberg) und die Niederung der Cham-Further Senke zwischen Oberpfälzer Wald und Bayerischem Wald.

    Daneben musste immer auch die Möglichkeit eines Angriffs durch das an sich neutrale Österreich im Auge behalten werden (südlich Passau über Inn-Salzach, eventuell auch je nach Lageentwicklung nördlich Passau).

    In der CSSR gab es die „Südwestfront“ mit dem Stab in Tabor. Unterstellt waren:

    a) die sowjetische Zentralgruppe der Truppen in Milovice mit
    - der Ost-Armee in Olmütz (1 Panzer-, 2 Motschützendivisionen)
    - der West-Armee in Jungbunzlau (2 Panzer-, 1 Motschützendivisionen)

    b) die 1. tschechoslowakische Armee in Pribram (1 Panzer-, 3 Motschützendivisionen)
    c) die 4. tschechoslowakische Armee in Pisek (2 Panzer-, 2 Motschützendivisionen)

    als Reserven waren vorhanden 2 tschech. Panzerdivisionen in der Slowakei, die allerdings nur eine Friedensstärke von 60 % hatten.

    An Front- und Armeetruppen waren vorhanden:
    - 1 tschech. Luftlandebrigade
    - 5 Raketenbrigaden (3 tschech., 2 SU)
    - 9 Artilleriebrigaden (6 tschech., 3 SU)
    - 7 Pionierbrigaden (6 tschech, 1 SU)

    Für die Luftunterstützung war die 57. Frontluftarmee in Lemberg zuständig.

    Die NATO hatte demgegenüber vorgesehen:
    Im Norden (Hof bis Steinwald / Nördlicher Oberpfälzer Wald): Kräfte des VII. US-Corps. Daran anschließend von Nord nach Süd:
    - 4. Panzergrenadierdivision
    - 1. Gebirgsdivision mit unterstellter Heimatschutzbrigade 56, aber eventuell ohne Gebirgsjägerbrigade 23.

    Als Reserve war hier vorgesehen die 4. kanadische mechanisierte Brigade, die allerdings erst aus dem Raum Lahr/Schwarzwald herangeführt werden musste.

    Bei einem Angriff des WP über Österreich hinweg sah man zunächst den Einsatz von Sperrverbänden entlang der mit vielen Sperren ausgebauten Inn-Salzach-Linie vor.
    Grundsätzlich waren hier vorgesehen:
    - Teile einer Luftlandebrigade, verstärkt durch ein Korpspionier-Btl und PAH oder
    - Teile der Heimatschutzbrigade 66 oder
    - Teile der Gebirgsjägerbrigade 23.

    Denkbar wäre die Führung der eingesetzten Kräfte durch ein Verfügungstruppenkommando gewesen.

    Problematisch blieb die Frage, welche Kräfte dann tatsächlich verfügbar gewesen wären, da alle vorstehend aufzeigten Kräfte eigentlich andere Aufträge hatten. Die Eignung der aufgezählten Truppen für diesen Einsatz war auch nicht gerade optimal. Es wäre hier mit dem Angriff vollmechanisierter Kräfte unter hoher Artilleriekonzentration zu rechnen gewesen. Demgegenüber hatte die NATO fast nur ungepanzerte Truppen verfügbar.

    Weiter war hier der Einsatz von Feldausbildungsregimentern zur Sicherung vorgesehen. Man ging von einer Vorwarnzeit von mehreren Tagen aus, da man damit rechnete, dass das österreichische Bundesheer zumindest hinhaltenden Widerstand leisten würde.

    Bei einem sich abzeichnenden Durchbruch durch die doch sehr weitgespannten Verteidigungslinien der NATO wäre noch die 10. Panzerdivision verfügbar gewesen, die als CENTAG-Reserve im Ingolstädter Raum lag. Als letzte Option kamen dann französische Truppen in Frage, die aus ihren Stationierungsräumen in Südwestdeutschland in Sammelräume nach Nordbaden oder ins westliche Bayern vorverlegen sollten.

    Kommentar

    • Ritchie 66
      Cold Warrior
      • 09.07.2011
      • 444

      #3
      Hallo Nemere,
      vielen Dank für deine doch umfangreiche Antwort! Trotz Suche habe ich bisher noch keine so genaue Angabe der Kräfteverhältnisse auf Seiten der ehemaligen CSSR gelesen. Das ein Angriff des WP aus der CSSR heraus nur ein "Nebenkriegsschauplatz" bei der Hauptaufführung gewesen währe ist schon klar. Für die Menschen in dem betroffenen Gebiet währe es wohl nicht minder dramatisch gewsen wie für die in der Hauptstoßzone. Soweit ich mich erinnern kann habe ich vor einigen Jahren die Ausführungen eines ehemaligen im Planungsstab des BMdV gelesen, der in einem Artikel in der Loyal ausgeführt hat, dass Auswertungen von Plannungen und Manövern der CSSR-Armee sowie der dort stationierten russischen Verbände ergeben haben, dass ein Angriff des WP auf den Westen wahrscheinlich mit taktischen Atomwaffen eröffnet worden währe um die hier in Nordbayern stationierten NATO- Kräfte "Nuklear zu Entwaffnen". Ziel währe gewesen diese noch in den Heimatgarnisonen zu zerschlagen.

      Die Kräfte des WP sollten dann am achten oder neunten Tag im Raum Besancon - Lyon stehen. Dieses Ziel währe dem Autor nach nur mit dem Einsatz nuklearer Waffen zu Erreichen gewesen, wobei die Führung des WP davon ausging das ein Großteil der Soldaten der ersten Staffel nach einiger Zeit durch die erlittenen Strahlenschäden nicht mehr Einsatbereit gewesen währe.

      Inwieweit dies so gewsen währe?

      Weist du wie Tief man den Gegner auf das Gebiet der Bundesrebublik vordringen lassen wollte, bis man Ihn auf jeden Fall stoppen wollte? Ich habe noch die Aussage eines deutschen Offiziers im Ohr der davon gesprochen hat, das gegen Ende der achtziger Jahre die Vorgabe galt, dass man wenn möglich den Gegner nicht weiter als 10 Km Luftlinie eindringen lassen wollte um entsprechende Schäden an der Infrastruktur in der Bundesrepublik zu verhindern. Auch sollte verhindert werden das der Kampf in die Ballungszententren gelangen konnte um entsprechende Verluste unter der Zivilbevölkerung zu verhindern. Die Aussage stand im raum, das bis Ende der siebziger Jahre / Anfang der achtziger Jahre noch eine Eindringtiefe von bis zu siebzig Kilometer Luftline bis zu einem Stopp der WP-Kräfte gegolten habe.

      Zur Richtigkeit dieser Aussagen kann ich aber nichts sagen.

      Gruß
      Ritchie 66

      Kommentar

      • Nemere
        Cold Warrior
        • 12.06.2008
        • 2834

        #4
        Ein "auf jeden Fall stoppen" hätte immer den Einsatz zumindest taktischer Atomwaffen von Seiten der NATO bedeutet. Das war ein politische Entscheidung, die von zahllosen Faktoren abhing und sicher keinem Automatismus unterlag, der sich aus einer vorher festgelegten Eindringtiefe ergab.

        Die 10 km Luftlinie sind absoluter Blödsinn, da in vielen Fällen der durch GDP geplante VRV wesentlich weiter als 10 km von der Grenze entfernt lag. Der Raum zwischen der Grenze und dem eigentlichen VRV wurde als Verzögerungszone dringend gebraucht, hier wurde um Zeitgewinn gekämpft, ohne sich auf eine Entscheidung einzulassen.

        Es hätte allen Grundsätzen einer beweglichen Verteidigung widersprochen, wenn man sich stur an eine dann berechenbare Linie geklammert hätte und sich dort verschanzt hätte. Angesichts der weit überlegenen Artillerie und den ebenfalls überlegenen Luftstreitkräften des WP wäre das Selbstmord gewesen.

        Dagegen spricht weiter, das es weit hinter der von Dir angesprochenen 10 km Linie zahlreiche Sperranlagen gibt, z.B. in Niederbayern südlich der Donau und in Mittelfranken.

        Um die Bevölkerung hat sich niemand wirklich Gedanken gemacht. Es gab kaum Schutzraumplätze, die Evakuierung war allenfalls angedacht, aber nie zu Ende geplant.

        Das war ein wunder Punkt der gesamten NATO-Verteidigungsplanung. Als Grundsatz galt die sogenannte "Stay-put-policy", also das Verbleiben der Bevölkerung an ihren gewöhnlichen Aufenthaltsorten. Zum Lenken von unkontrollierten Bevölkerungsbewegungen schuf man für Zivilbehörden und Streitkräfte eine Weisungsbefugnis im Rahmen der „Aufenthaltsregelung“. Man wollte damit Flüchtlingsströme, die den Aufmarsch der Streitkräfte behindert hätten, vermeiden und ging davon aus, daß die Gefährdung der Zivilbevölkerung an ihren Wohnorten noch am geringsten wäre. Gleichzeitig verschloß die politische Führung aber die Augen davor, daß ein wirksamer Schutz der Bevölkerung unter den gegebenen Bedingungen nicht möglich war. Die geringe räumliche Ausdehnung hätte sehr schnell den größten Teil der Bundesrepublik zur Kampfzone werden lassen, in der auch bei ausschließlichen Einsatz konventioneller Waffen ein Verbleiben der Bevölkerung nicht mehr zu verantworten gewesen wäre.

        Wir können mit einer durchschnittlichen Tiefe des Divisionsgefechtsstreifens von 40 km rechnen, davor lag eine Verzögerungszone von mindestens 10 km, meistens mehr. Im gesamten Divisionsgebiet wäre mit Kampfhandlungen zu rechnen gewesen, die sicher eher selten auf die Bevölkerung Rücksicht zugelassen hätten. Die "Vordere Kampfzone" (FCZ) , in der allein die Operationsführung der NATO-Streitkräfte das Geschehen bestimmt, wird nach hinten durch die Rückwärtige Grenze des Korpsgebietes begrenzt, die Tiefe der vorderen Kampfzone liegt bei mindestens 55 – 60 km. Erst in der anschließenden "Rückwärtigen Kampfzone" (RCZ) beginnt eine gewisse Zuständigkeit und wirksame Eingriffsmöglichkeiten der deutschen nationalen Stellen. Das wäre im angenommenen Fall dann etwa auf der Höhe Nürnbergs der Fall gewesen.
        (HDv 100/500 – Das Heer in der militärischen Landesverteidigung – Bonn, September 1981, Kap. 6)

        Die fehlenden ausreichend konkreten Vorplanungen zur Aufnahme dieser Flüchtlinge in Evakuierungsräumen, von der ungenügenden Betreuung und Versorgung ganz zu schweigen, waren ein Trauerspiel für sich. Die dafür vorgesehenen Betreuungszüge hätten vom Umfang her niemals ausgereicht. Es gab um 1980 dafür:
        - Einen Betreuungszug (28 Zivilschützer, Kapazität 3 Feldküchen) für jeweils 585 000 Einwohner;
        - ein Betreuungsleitzug (32 Zivilschützer, seine Aufgabe ist das Sammeln und Weiterleiten von Flüchtlingen) für 787 000 Einwohner.

        Quelle: Bundesministerium des Inneren, Zivilschutz heute, Bonn 1980, S. 72.

        Die amerikanischen Streitkräfte sahen die Gefechtsführung an der Grenze wesentlich realistischer als die deutschen Behörden. Noch 1982 ging man bei der US-Army von einer Tiefe der Verzögerungszone von bis zu 70 km aus, in dieser Zone waren umfangreiche Sperren aus konventionellen Minen geplant, auch der frühzeitige Einsatz von Atomsprengladungen wurde nicht ausgeschlossen. Eine Eskalation durch den Einsatz von Atomminen entlang der Grenze glaubte man auf amerikanischer Seite nicht zu erkennen, man betrachtete diese Art von Nuklearwaffen als reine Verteidigung und sah erst im Einsatz taktischer offensiver Atomwaffen (z.B. Pershing-Raketen oder atomare Granaten) die Schwelle zum Nuklearkrieg überschritten.
        Angesichts des mit größter Wahrscheinlichkeit zu befürchtenden Einsatzes chemischer Kampfstoffe durch sowjetische Truppen, sah auch die amerikanische Planung die Schaffung von mit seßhaften Kampfstoff vergifteten Zonen an den großen Grenzübergangspunkten vor, um den Vormarsch der Warschauer Pakt-Truppen zu kanalisieren. Dabei sollte der Nervenkampfstoff VX eingesetzt werden. Das seit dem Londoner Giftgasprotokoll von 1929, dem auch die USA 1975 beigetreten waren, ein Verwendungsverbot dieser Waffen bestand, interessierte dabei niemanden, nicht einmal das Bundesverfassungsgericht. Im Beschluß vom 29.10.1987 stellte es fest, daß „ein etwaiger völkerrechtsgemäßer Zweiteinsatz dieser Waffen sich im Rahmen des dem NATO-Vertrag zugrunde liegenden Bündnisprogramms hält“.
        (Literatur: Paech, Norman: Gastrechte in einer Kampfzone – Was die US-Truppen in der Bundesrepublik alles dürfen. In: Spoo, Eckart (Hrsg.): Die Amerikaner in der Bundesrepublik. Köln 1989, S. 87 – 119, hier S. 98)

        Ortschaften sollten keineswegs in der Verzögerung und Verteidigung möglichst ausgespart bleiben, wie dies realitätsferne deutsche Politiker sich vorstellten. Die amerikanischen Taktiker sahen klar vor: „Die aktive Verteidigung in Europa sollte als zentrales Axiom die umfassende Nutzung von Verteidigungsstellungen in bebauten Gebieten einschließen...“ Der Schutz der Bevölkerung des Grenzlandes, in dem dieser mit größten Materialeinsatz geführte Krieg stattfinden sollte, taucht dagegen in den amerikanischen Planungen überhaupt nicht auf, Evakuierungspläne existierten nur für die zivilen Angehörigen der US-Streitkräfte. Ansonsten wurden die Einwohner vor allem als Störfaktor angesehen, die durch unkontrollierte Fluchtbewegungen den Aufmarsch der Streitkräfte behindern könnten. Von Bedeutung für die Zivil-militärische Zusammenarbeit war aus Sicht des amerikanischen Militärs lediglich die Nutzung ziviler Einrichtungen und Ressourcen für die Zwecke der Streitkräfte.

        Literatur dazu:
        - McCaffrey, Barry M.: The battle on the german frontier, In: Military Review (USA), Heft 3/1982, S. 62 – 70, hier S. 67/68.
        - HQ Dept of the Army, Field Manual 100-5 S. 45 ff.

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        • Ritchie 66
          Cold Warrior
          • 09.07.2011
          • 444

          #5
          Na da bekommt man ja im nachhinein noch eine Gänsehaut wenn man deine Ausführungen liest. Das die deutsche Politik hier in letzter Konesquenz die "Augen verschlossen hat" vor dem Grauen, dass in den Kampfzonen aufgetreten währe ist irgendwie verständlich. was hätte man groß machen sollen? Ausgehend davon, dass eine Vorwarnzeit von wenigen Tagen bestanden hätte, hätte eine groß einsetzende Fluchtwelle der Grenznahen Bevölkerung die Operationsführung der Streitkräfte wahrscheinlich behindert. In dem Zusammenhang finde ich Persönlich deine Ausführung interessant, dass die B 14 von Waidhaus in Richtung Sulzbach - Rosenberg eine der Hauptangriffsachsen geswen währe. Bis 1989 habe ich direkt an der B 14 in Hirschau gelebt. ich hätte also einen Logenplatz gehabt. : )

          Die Zivilschutzvorbereitungen der Bundesregierungen während der Zeit des Kalten Krieges waren zu keinem Zeitpunkt ausreichend um einen wirklichen Schutz für die Bevölkerung darzustellen. Diese Massnahmen waren immer nur zur Beruhigung der Gesellschaft vorhanden und sind es bis heute. Die von Dir angeführten zahlen der Betreuungszüge sagen alles.

          Interessant finde ich in dem Zusammenhang auch den möglichen Einsatz von C-Waffen durch beide Seiten, ein gerne verdrängter Teil der Einsatzrealitäten. Auch spielten diese Waffen im Bewustsein der Menschen wegen des Vernichtungspotentials der Atomwaffen beider Blöcke nur eine untergeordnete Rolle. Als ehemaliger der CS - Organisation kann ich aber sagen, dass der Einsatz von C-Waffen durch die WP- Führung für die US Armee ein ernstzunehmendes Faktum der gefechtsführung war, sprich man ging davon aus das es mit größter wahrscheinlichkeit zu einem Einsatz solcher Kampfmittel kommen würde. Mit entsprechenden Gegenmaßnahmen durch die Amerikaner war ebenfalls zu rechnen. Schrecklich die Folgen für die ungeschützte Zivilbevölkerung im Gefechtsstreifen. das sowjetische Soman sowie das amerikanische Sarin und VX sind Massenvernichtungswaffen gegen ungeschützte Personen. Ich habe es schon einmal an anderer Stelle hier im Forum geschrieben, selbst bei durch ABC-Vollschutz und Voralarm gewarnten Truppen ging man beim Einsatz chemischer Waffen wie dem Nervengift Soman von einer ausfallrate zwischen 30 - 50 Prozent der betroffenen Soldaten aus.

          Ritchie 66

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          • Scaleon
            Cold Warrior
            • 24.01.2009
            • 160

            #6
            Zitat von Ritchie 66 Beitrag anzeigen
            ................. Ich habe noch die Aussage eines deutschen Offiziers im Ohr der davon gesprochen hat, das gegen Ende der achtziger Jahre die Vorgabe galt, dass man wenn möglich den Gegner nicht weiter als 10 Km Luftlinie eindringen lassen wollte um entsprechende Schäden an der Infrastruktur in der Bundesrepublik zu verhindern. Auch sollte verhindert werden das der Kampf in die Ballungszententren gelangen konnte um entsprechende Verluste unter der Zivilbevölkerung zu verhindern. Die Aussage stand im raum, das bis Ende der siebziger Jahre / Anfang der achtziger Jahre noch eine Eindringtiefe von bis zu siebzig Kilometer Luftline bis zu einem Stopp der WP-Kräfte gegolten habe. Zur Richtigkeit dieser Aussagen kann ich aber nichts sagen.
            Gruß Ritchie 66
            Hallo Ritchie 66,
            welchen deutschen Offizier hast du "denn noch im Ohr" zum Thema Eindringtiefe ?! Deutsche Offiziere hatten vor, während und nach Ende des Cold War weniger als Null zu sagen! Das ging alles einzig und alleine über die Amerikaner! Wenn man überhaupt von einer geographisch definierten Eindringtiefe sprechen kann, kommt m.E. hier lediglich die damalige, sog ADIZ (Air Defense Identification Zone) in Betracht.

            Dieses, unterschiedlich breite Band, verlief entlang der damaligen Demarkationslinie und war besonders während der Periode "Massive Retaliation" sowie der anschliessenden Periode "Flexible Response" als "Puffer" (auf beiden Seiten) von allergrößter Bedeutung. Auf beiden Seiten gab es denn auch in diesem Band höchst aufwändige, zum Teil bis heute streng geheime Mil- Installationen. Insbesondere während der Periode "Flexible Response" und speziell während politischer Spannungsphasen die es in jener Periode immer wieder gab, diente dieser ADIZ- Puffer wiederholt der proaktiven Deeskalation, so z.B. im Falle von unbeabsichtigten Grenzverletzungen durch Militärflugzeuge (Navigationsfehler).

            Auch im Falle eines Angriffs durch den WP (der m.E. zu keinem Zeitpunkt zur Debatte stand), hätten sich m.E. zunächst einmal alle militärischen Aktionen primär im damals durch beide Seiten perfekt überwachten ADIZ- Bereich abgespielt, mit dem (beiderseitigen) Ziel einer kurzfristigen, sprich nach zwei- bis drei Tagen zu erreichenden Deeskalation mittels einer wie auch immer gearteten, politischen Lösung.
            Gruß Scaleon !

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            • uraken
              Cold Warrior
              • 27.09.2008
              • 865

              #7
              Übrigens sah das mit den Ortschaften auch die Bundeswehr realistisch. Auf YouTube kann man mehre Ausbildungfilme zu dem Thema runterladen.
              Eine 4 Film Serie "Artillerie Im Gefecht" legte einen VRV knapp vor Bayreuth, am 2 Tag des Konflikts.
              Zuletzt geändert von uraken; 17.07.2011, 21:26.

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              • Horner
                Cold Warrior
                • 24.05.2009
                • 1897

                #8
                Guten Abend zusammen,
                der C-Kampfstoff hat es wirklich in sich und ist sogar sehr hartneckig gegen den tiefsten Frost. Seine molekulare Strucktur zerfällt sogar nicht, wenn diese Temperaturen von 49°- ausgesetzt werden. Gegen Sonnenlicht ist Soman ebendso resistend und außerdem kann man es auch mit Wasser verbinden. Da darf man wirklich nicht daran denken, wenn solche hochgiftigen Kampfstoffe ihre Anwendung gefunden hätten und noch dazu die Folgen der nuclearen Angriffe, da bekommt man wirklich Gänsehaut.

                Gruß
                Horner

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                • Nemere
                  Cold Warrior
                  • 12.06.2008
                  • 2834

                  #9
                  Zitat von uraken Beitrag anzeigen
                  Übrigens sah das mit den Ortschaften auch die Bundeswehr realistisch. ...... legte einen VRV knapp vor Bayreuth, am 2 Tag des Konflikts.
                  In diesem Film werden allenfalls kleine Ortschaften und Dörfer in die Verteidigung einbezogen. Auch in Bonnland wurde nur die Kampfführung in eher ländlich geprägten Gegenden geübt. Über die Verteidigung von Städten wie Bayreuth, Hof oder gar Nürnberg, die mitten in der Angriffsachse des potentiellen Gegners lagen, wollte man sich aus guten Gründen keine Gedanken machen. Man wusste ganz genau, daß weder die Kräfte - nämlich genügend Infanterie - vorhanden waren, noch dass es gelungen wäre, rechtzeitig die Bevölkerung zu evakuieren. Ich suche bei nächster Gelegenheit mal die Zahlen zum Bevölkerungsschutz und zur mutmaßlichen Bedrohungslage für Hof/Saale heraus, da wird die Problematik sehr deutlich.

                  Es gibt übrigens einen einzigen Ausbildungsfilm der Bundeswehr, der sich wirklich mit der Verteidigung in Industriegebieten bzw. größeren Städten befasst. In den 1980er Jahren sollte das Bahnbetriebswerk in Schweinfurt abgerissen werden und stand vor Beginn des Abrißs mehrere Monate leer. Die Kampftruppenschule in Hammelburg nutzte die Gelegenheit, mit dem Lehr-Btl hier wirklich etwas realistischeren Ortskampf zu üben. Allerdings ist der in diesem Film gezeigte Kräfteansatz nach den Erfahrungen mit Ortskämpfen des 2. Weltkrieges wieder total unrealistisch: Ein Panzergrenadierzug mit 3 Mardern und einer Absitzstärke von bestenfalls 17 Mann verteidigt hier riesengrosse Gebäudekomplexe.

                  Artillerie im Gefecht ist bei Youtube:


                  hier sind dann die Links zu den weiteren Teilen zu finden.

                  Der Film ist recht brauchbar, zeigt er doch gut das Zusammenwirken im Gefecht der verbundenen Waffen. Die feindliche Waffenwirkung ist allerdings sehr verharmlosend dargestellt.

                  Kommentar

                  • Ritchie 66
                    Cold Warrior
                    • 09.07.2011
                    • 444

                    #10
                    Hallo Scaleon,
                    bei dem Offizier hat es sich um einen Oberst der Bundeswehr und Schulkommandeur einer Unteroffiziersschule des Heeres gehandelt. Die Aussage wurde zu beginn der neunziger Jahre gemacht. Wie gesagt, über den Inhalt kann ich nichts sagen, da ich von der Strategie die damals galt nichts weis. Das während einer damals möglichen Eskalation die beiden "großen Brüder" im jeweiligen Bündniss das sagen gehabt hätten, darin stimme ich Dir sicherlich zu.

                    @Nemere, nochmals danke für deine umfangreichen Erklärungen, die ich in dieser Form auf den Bereich Niederbayern/Oberpfalz bezogen so noch nirgends erhalten habe. Wenn du dazu noch etwas sagen kannst: wie hätte die Operationsführung am Beispiel der 4. Panzergrenadier Division, Rgegensburg und der ihr unterstellten Einheiten ausgesehen, ausgehend davon das ein bevorstehender Angriff rechtzeitig erkannt worden währe und die Einheiten in ihre Einsatzräume verlegen hätten können?

                    Gruß
                    Ritchie 66
                    Zuletzt geändert von Ritchie 66; 18.07.2011, 10:26.

                    Kommentar

                    • Nemere
                      Cold Warrior
                      • 12.06.2008
                      • 2834

                      #11
                      Zitat von Nemere Beitrag anzeigen
                      Ich suche bei nächster Gelegenheit mal die Zahlen zum Bevölkerungsschutz und zur mutmaßlichen Bedrohungslage für Hof/Saale heraus, da wird die Problematik sehr deutlich.
                      Wie versprochen, hier die Betrachtung zum Raum Hof/Saale:

                      Der Hauptstoß im bayerischen Norden kann während der ganzen Jahre des Kalten Krieges mit der Angriffsache in der Senke zwischen Fichtelgebirge und Frankenwald (Autobahn A 9) und der Zielrichtung Nürnberg – München angenommen werden – Hof wäre also im Zentrum des vermuteten Hauptstoßes gelegen.
                      Aus nach dem Zusammenbruch der DDR sichergestellten Dokumente der NVA zur strategischen und operativen Planung konnte man entnehmen, daß diese Option noch 1986 vom Warschauer Pakt in Planspielen und Stabsrahmenübungen geübt wurde.

                      Literatur: Wiener, Friedrich: Die Armeen der NATO-Staaten (=Truppendienst-Taschenbuch 3); Wien 1966, S. 142 ff.
                      Wiener, Friedrich: Die Armeen der NATO-Staaten. (= Taschenbuch der Landstreitkräfte, 1) München 1974, S. 261 ff.
                      Heisenberg / Lutz: Sicherheitspolitik kontrovers – Frieden und Sicherheit – Band I, (= Band 291/I der Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung), Bonn 1990, Dokument D 7 / S. 185.
                      Naumann, K. (Hrsg.): NVA - Anspruch und Wirklichkeit in ausgewählten Dokumenten. Berlin 2000, S. 97 ff.


                      Man muß sich dann vor Augen halten, daß das Stadtgebiet Hof bei einer Entfernung von etwa 10 bis 12 km zur damaligen Grenze in seiner ganzen Ausdehnung innerhalb der Reichweite der gegnerischen Artillerie lag. Der Großraum Hof war nach allen Erkenntnissen in den Planungen des Warschauer Paktes als „Durchbruchsabschnitt“ vorgesehen, in dem ein Angriff mit massierten Kräften in sehr schmalen Gefechtsstreifen erfolgt wäre. Der Warschauer Pakt strebte hier eine 10 – bis 15-fache Überlegenheit beim Material an. Das bedeutete einen Einsatz von etwa 60 – 80 Geschützen und 8 – 12 Mehrfachraketenwerfern auf einen Kilometer Frontbreite, bei längerer Vorbereitungszeit wäre der Einsatz von 150 bis 200 Geschützen pro Kilometer zu erwarten gewesen.

                      Literatur:
                      Wiener, aaO., S. 133 ff. , 139. – Amt f. Nachrichtenwesen der Bundeswehr, Abt. II. Übungsgliederung ROT, Ausgaben bis 1989


                      Stellen wir dem gegenüber was zum Schutz der Bevölkerung getan worden war.

                      An Schutzraumplätzen gab es damals in Hof in drei größeren Anlagen etwa 2500 Plätze – also nicht einmal für 5 % der Bevölkerung der Stadt.

                      Zur Betreuung der Bevölkerung waren vorgesehen
                      1 Sanitätszug (50 Helfer) :
                      1 Betreuungsstelle (18 Helfer) zur Betreuung, Versorgung und Unterbringung hilfsbedürftiger Personen. Diese Betreuungsstelle hätte auch bei möglichen Flüchtlingsbewegungen eingesetzt werden können.

                      Quellen: Verwaltungsberichte der Stadt Hof von 1976–1990,

                      Es gab einen einzigen Notbrunnen. Es darf bezweifelt werden, ob dieser einzige Notbrunnen für die Versorgung der damals etwa 53.000 Hofer Einwohner auch nur annähernd ausgereicht hätte. Zum Vergleich: Erlangen verfügte für seine 85.000 Einwohner zum gleichen Zeitpunkt über 37 solcher Ersatzbrunnen!

                      Quellen: Verwaltungsberichte der Stadt Hof 1979 – 1981, Hof 1982,
                      Bay. Staatsminist. d. Innern: Zivile Verteidigung in Bayern - Sachstand Mai 1982. München 1984, S. 48


                      Wie in den Planungen für den Verteidigungsfall vorgesehen, wurde vom Verteidigungskreiskommando 672 Bayreuth zur Stadtverwaltung und zum Landratsamt nach Hof je ein Verbindungskommando abgestellt, das über bundeswehreigene Fernmeldemittel verfügen sollte. Da der Raum Hof in der Vorderen Kampfzone (FCZ) lag und hier allein die Operationen der NATO-Streitkräfte das Geschehen bestimmt hätten, wären die tatsächlichen Einflußmöglichkeiten dieser Bundeswehr-Verbindungskommandos auf den Ablauf militärischer Operationen nur marginal gewesen und hätten sich lediglich auf eine Art Mittlerfunktion beschränkt.

                      Alle diese Schwierigkeiten kamen bei den seit 1971 im Zwei-Jahres-Turnus stattfindenden Planübungen WINTEX/CIMEX immer wieder zur Sprache. Hier wurde die zivil-militärische Zusammenarbeit von Bundes- und Landesbehörden mit den Kommunen und militärischen Stäben geprobt. Eine realistische Lösung fand man jedoch nie, daher blieben auch alle Aussagen in den Vorschriften dazu bis zum Ende des Ost-West-Konflikts immer bemerkenswert vage.
                      Beispiel dazu:
                      Die HDv 100/500 – Das Heer in der militärischen Landesverteidigung – Bonn, September 1981, Nr. 811 f. führt zu den Flüchtlingsbewegungen aus. "Zur Lenkung größerer Fluchtbewegungen haben die Behörden der zivilen Verteidigung Auffanglinien ... vorgesehen. .. Wenn die Lage es zuläßt, werden die Zivilpersonen zur Rückkehr in ihre Wohngebiete veranlaßt.“ Und weiter in der Nr. 812. „Feldjäger können den Auftrag erhalten, die Polizei bei der Lenkung von Bevölkerungsbewegungen zu unterstützen.“ Sucht man daraufhin in den damals geltenden einschlägigen Vorschriften der Feldjägertruppe findet man nichts, keinen einzigen konkreten Satz, wie den das Lenken der Bevölkerung geschehen soll, wie die Leute versorgt werden sollen usw.

                      Der zivile Teil der WINTEX/CIMEX Übungen beschränkte sich meistens auf die Zeit vor Beginn der Kampfhandlungen, also die Phase der Mobilmachung und des Aufmarsches. Die unter Annahme des tatsächlichen Bedrohungsszenarios fortgesetzte militärische Phase führte immer wieder dazu, daß bereits nach wenigen Übungstagen von Seiten der NATO Atomwaffen eingesetzt werden mußten, da die konventionelle Überlegenheit des Warschauer Paktes anders nicht zu beherrschen war. Der damalige Bundeskanzler Kohl brach z.B. 1987 die Teilnahme der Bundesregierung an der Übung ab, als klar wurde, daß die Bundesrepublik durch den aus militärischer Sicht notwendig gewordenen Atomwaffeneinsatz vernichtet worden wäre und die US- und NATO-Stäbe gegen den deutschen Willen den Nuklearwaffeneinsatz in der Übungssituation fortsetzten.

                      Literatur: Spoo, Eckart (Hrsg.): Die Amerikaner in der Bundesrepublik. Köln 1989, S. 10, 17, 78

                      Weitere Literatur zum Gesamtthema: Wurdack, Jörg: Chronik der Stadt Hof, Band X: Militärgeschichte der Stadt Hof. Hof 2005

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                      • Nemere
                        Cold Warrior
                        • 12.06.2008
                        • 2834

                        #12
                        Zitat von Ritchie 66 Beitrag anzeigen
                        wie hätte die Operationsführung am Beispiel der 4. Panzergrenadier Division, Rgegensburg und der ihr unterstellten Einheiten ausgesehen, ausgehend davon das ein bevorstehender Angriff rechtzeitig erkannt worden währe und die Einheiten in ihre Einsatzräume verlegen hätten können?
                        Natürlich sahen die Planung nach 1985, als sich eine deutliche Entspannung abzeichnete, anders aus, als in den „Hochzeiten“ des Kalten Kriegs z.B. in den 1960 / 1970er Jahren. Viele Überlegungen ergaben sich aber aus den verfügbaren Kräften und den Geländemöglichkeiten und blieben über die Jahre fast gleich. Ich berücksichtige hier nicht die politischen Bemühungen zur Konflikteindämmung, die u.U. ganz massiv auf militärische Entscheidungen eingewirkt hätten.

                        Ein Hauptproblem der Verteidigung der bayerischen Ostgrenze war, dass man sich auf eine ganze Reihe von Optionen einstellen musste:
                        - Wie lief die Verteidigung in Nordbayern (Fichtelgebirge – Bayreuther Raum), entstand hier eine Flankenbedrohung?
                        - War mit einem Angriff über beide oder nur über eine der beiden möglichen Vormarschrichtungen (B 14 bzw. Furth) zu rechnen?
                        - War zusätzlich eventuell noch mit einem Nebenstoss aus der Naab-Wondreb-Senke (Karlsbad/Eger – Richtung Tirschenreuth/Wiesau/Weiden) zu rechnen.
                        - Drohte ein Vormarsch des WP durch Österreich?

                        Den Ablauf der Verteidigung stellte man sich bei den NATO-Führungsstäben in einem von mehreren möglichen Szenarien folgendermaßen vor:

                        1. Polizeiliche Grenzsicherung durch den BGS, Abwehr von Grenzübergriffen, auch regulärer Truppen des Gegners, durch den BGS. Bei massiven Angriffen wäre dieser Einsatz des BGS unterblieben und es wäre sofort zum Einsatz von NATO-Truppen gekommen. Der Bundesgrenzschutz hatte seit 1965 den Kombattantenstatus für die BGS-Verbände erhalten (§ 2 b, später § 64 BGS-Gesetz).

                        2. Während der polizeilichen Grenzsicherung Aufmarsch der Verzögerungskräfte, Ablösung des BGS, bzw. Aufnahme ausweichender BGS-Kräfte. Räumen der grenznahen Garnisonen.

                        3. Verzögerung entlang der Grenze in der Verzögerungszone, gleichzeitig sollten sich die Verteidigungskräfte in ihren Stellungen einrichten, Sperren anlegen und die nachhaltige Verteidigung vorbereiten. Verzögerung bedeutet hier Kampf um Zeitgewinn, also ständig kämpfend ausweichen, dem Gegner in Zusammenwirken mit Sperren dabei möglichst hohe Verluste zufügen, ohne sich selbst in verlustreiche Gefechte einzulassen.

                        Als Verzögerungskräfte wären z.B. die durch Pioniere verstärkten Panzeraufklärungsbataillone oder Teile der Panzerbrigaden (verstärkte Panzerbataillone oder die gesamte Brigade) als Verzögerungsverbände eingesetzt worden. Bei der Gebirgsdivision wäre dafür auch das Gebirgspanzerbataillon 8 in Frage gekommen.

                        4. Kämpfendes Ausweichen der Verzögerungskräfte auf den VRV, Aufnahme durch die Stellungstruppe. Die bisherigen Verzögerungskräfte werden – nach Auffrischung und Versorgung – als Reserve eingesetzt. Hier wird eine durchgehende Schwäche der Verteidigungsplanung deutlich, das Fehlen ausreichender Reserven (sowohl personell und materiell). Die abgekämpften Verzögerungskräfte sollen für den jetzt erst beginnenden Großkampf am VRV wieder als Reserve eingesetzt werden, bis zu ihrer hoffentlich überhaupt noch möglichen Auffrischung, stehen an der Front oft nur minimale, meist örtliche Reserven, zur Verfügung.

                        Je nach der Schnelligkeit des Heranführens wäre allerdings an der Ostgrenze Bayerns als Korps-Reserve die 4. CMBG zur Verfügung gestanden, die ihren Verfügungsraum an der hinter den beiden Divisionen haben sollte. Für die Lage des Vfg.Raumes dieser Reserve war entscheidend, wie man die Feindlage aufgrund der Aufklärungsergebnisse beurteilte:
                        - Nördlich der Donau im Raum Parsberg-Hemau, wenn man den feindlichen Schwerpunkt entlang B 14 und/oder Further Senke erkannte.
                        - Südlich der Donau im Raum Straubing, wenn man den feindlichen Angriff in erster Priorität aus Österreich heraus annahm, aber auch die Option Further Senke nicht ganz ausschließen konnte.

                        5. Abwehr des feindlichen Angriffs durch bewegliche Verteidigung unter Ausnutzung der Tiefe des Verteidigungsraumes. Bei Abschluß der Kämpfe soll sich der VRV wieder in eigener Hand befinden.

                        Am VRV wären wahrscheinlich an der tschechischen Grenze bei der 4. PzGrenDiv die beiden Panzergrenadierbrigaden, bei der Gebirgsdivision die Panzergrenadierbrigade und sicher die Heimatschutzbrigade 56 eingesetzt worden. Die Panzerbrigaden der beiden Divisionen wären Divisionsreserven geworden. Die beiden Panzeraufklärungsbataillone hätten neben ihrem Aufklärungsauftrag vor allem die Flankensicherung betrieben, das Panzeraufklärungsbataillon 4 in Richtung Steinwald – Naab-Wondreb-Senke, das Gebirgspanzeraufklärungsbataillon 8 in Richtung südlicher bayerischer Wald – österreichische Grenze – Passau. Das selbständige Gebirgspanzerbataillon 8 wäre zur Verfügung der Division gestanden und wäre ggf. als selbständiger Verzögerungsverband bei einem Angriff aus Österreich eingesetzt worden (nördlich, u.U. auch südlich Passau).

                        6. Gegenangriff, Zurückwerfen des Angreifers auf seine Ausgangsstellungen. Hier sollten möglicherweise die im Rahmen des REFORGER-Programmes herangeführten Verbände zum Einsatz kommen. Ein Fortsetzen des Gegenangriffs über die innerdeutsche Grenze hinaus wurde in den NATO-Planungen offiziell nie erwogen. Wie das bei der konkreten Situation während der Schlacht ausgesehen hätte, um z.B. eine ungünstige eigene Position zu verbessern oder einen sich abzeichnenden durchschlagenden Erfolg auszunützen, bleibt Spekulation. Die amerikanischen Streitkräfte sahen dagegen grenzüberschreitende Operationen auch mit Heereskräften als selbstverständlich im Rahmen einer konsequent auf Zerschlagung eines möglichen Angreifers ausgerichteten Kriegführung an.

                        Literatur:
                        HDv 100/100 Truppenführung
                        HDv 100/500 Das Heer in der militärischen Landesverteidigung.
                        US Department of the Army: „The Airland Battle and Corps” TRADOC-Pamphlet 525-5, Fort Monroe 25 March 1981. Übersetzung in “Militärpolitik Dokumentation” Heft 34/35, Frankfurt 1983, S. 13 ff.
                        HQ Dept of the Army, Field Manual 100-5 „Operations“, Washington D.C., 5. May 1986.


                        Zusätzlich mehrere Jahresarbeiten der Führungsakademie der Bundeswehr, welche die Geländebedingungen des Raumes Nord- und Ostbayern und ihre Auswirkungen auf die Operationsführung untersuchten:
                        a) Belck, B. / Nes, H. van: Fränkisches Mittelgebirge, Oberpfälzer Wald und Bayerischer Wald – Landschaftliche Erscheinungsformen und ihr Einfluß auf die Bewegungsmöglichkeiten mechanisierter Großverbände, 1967.
                        b) Leutner, U./ Rotberg, J.: Möglichkeiten und Grenzen des Flächenmarsches. Untersuchung über die Dichte der Straßen- und Wegeverbindungen in Nord-Süd-Richtung im mainfränkischen Raum und den angrenzenden Gebieten, 1968.
                        c) Natter, Jürgen: Das fränkische Schichtstufenland – Landschaftliche Erscheinungsformen und ihr Einfluß auf die Bewegungsmöglichkeiten mechanisierter Großverbände im Gefecht, 1969

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                        • Ritchie 66
                          Cold Warrior
                          • 09.07.2011
                          • 444

                          #13
                          Hallo Nemere,
                          langsam bekomme ich den Eindruck bei deiner Person handelt es sich um ein "wandelndes Lexikon"! : ) Einmalig deine Darstellung einer Gott sei dank nie eingetretenen militärischen Eskalation im ostbayerischen Raum. Wenn man deine Ausführungen liest verspürt man einen Schauer!

                          Ernüchternd deine Zustandsbeschreibung des Katastrophenschutzes am Beispiel der Stadt Hof während der Zeit des Kalten Krieges. Wie von etlichen Fachleuten immer wieder betont, dienten die verschiedenen Katastrophenschutzorganisationen wohl mehr der Beruhigung der mit dieser Thematik wenig betrauten Zivilbevölkerung. Für Vorkommnisse im Frieden durchaus verwendbar hätten sich diese Hilfsorganisationen im Verteidigungsfall und einem damit einhergehenden Massenanfall von Toten, Verletzten und Flüchtlingen nicht einmal selbst helfen können. Dies hat mir auch einmal der Führer eines ABC-Zuges einer größeren Stadt in der Oberpfalz in den achtziger Jahren so bestätigt. Die Ausstattung etwa zur Dekontamination von Personen hätte gerade zur Eigenentseuchung der Angehörigen des Zuges gereicht und dann noch für einige Menschen. Keinesfalls hätte man damit einen größeren Entgiftungseinsatz durchführen können, so die Aussage.

                          Interessant deine Ausführung, dass der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl 1987 die Teilnahme an einer Wintex_Übung abgebrochen habe, da die NATO-Führung an einem Nuklearwaffeneinsatz auf dem Gebiet der Bundesrepublik festgehalten hat. Sicher ein Dilema für jeden deutschen Politiker sowie Militär. Im Bewustsein zu handeln, dass das Bündnis dem man angehörte dem gegnerischen Bündnis als Ultima Ratio den Einsatz von Waffen - notfalls auch auf dem eigenen Territorium - androhte, die in letzter Konsequenz auch die Existenz des eigenen Volkes gefärdeten. Frag mich jetzt nicht nach einer Quelle aber aus meiner Erinnerung würde ich sagen gab es 1981 ein Symposium unter Teilnahme hoher Offiziere des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, das als Thema die Notfallmedizin nach einem bewaffneten Konflikt unter Einsatz von Nuklearwaffen auf dem Gebietder Bundesrepublik Deutschland zum Thema hatte. In einem Interview äußerte ein Generalarzt (genaue Bezeichnung weis ich nicht mehr) auf mehrmaliges Nachfragen des Journalisten auf diesen Interessenkonflikt der deutschen Seite auf einen eventuellen Nuklearwaffeneinsatz angesprochen in etwa dem Sinn nach so: "sein Sie versichert, die politische und militärische Führung dieses Landes würde alles in ihrer Macht stehende tun um den Einsatz militärischer Mittel, die den Bestand des deutschen Volkes gefährden würden zu verhindern. Auf die Nachfrage was genau er damit meine und ob Einheiten der Bundeswehr notfalls mit waffengewalt den Einsatz von Atomwaffen durch alliierte Streitkräfte auf deutschen Boden verhindern würden, kam als Antwort in etwa so: die deutschen Streitkräfte sind dafür da den Bestand des deutschen Volkes zu Sichern und diesen Auftrag würde man unter Einsatz aller optionen durchführen. Ich fand das damals bemerkenswert, den indirekt stellte dieser General in einer solchen Aussage die interessen des eigenen Landes doch über die der NATO. Leider kann ich keine Quellenangabe mehr machen habe diese Interwiev aber zu beginn der achtziger Jahre gelesen. Inwieweit eine Bundesregierung sich einem Nuklearwaffeneinsatz der NATO auf deutschem Territorium aber wirklich entgegengestellt hätte sei mal dahin gestellt.

                          Kommentar

                          • Ritchie 66
                            Cold Warrior
                            • 09.07.2011
                            • 444

                            #14
                            Hallo Nemere,
                            langsam bekomme ich den Eindruck bei deiner Person handelt es sich um ein "wandelndes Lexikon"! : ) Einmalig deine Darstellung einer Gott sei dank nie eingetretenen militärischen Eskalation im ostbayerischen Raum. Wenn man deine Ausführungen liest verspürt man einen Schauer!

                            Ernüchternd deine Zustandsbeschreibung des Katastrophenschutzes am Beispiel der Stadt Hof während der Zeit des Kalten Krieges. Wie von etlichen Fachleuten immer wieder betont, dienten die verschiedenen Katastrophenschutzorganisationen wohl mehr der Beruhigung der mit dieser Thematik wenig betrauten Zivilbevölkerung. Für Vorkommnisse im Frieden durchaus verwendbar hätten sich diese Hilfsorganisationen im Verteidigungsfall und einem damit einhergehenden Massenanfall von Toten, Verletzten und Flüchtlingen nicht einmal selbst helfen können. Dies hat mir auch einmal der Führer eines ABC-Zuges einer größeren Stadt in der Oberpfalz in den achtziger Jahren so bestätigt. Die Ausstattung etwa zur Dekontamination von Personen hätte gerade zur Eigenentseuchung der Angehörigen des Zuges gereicht und dann noch für einige Menschen. Keinesfalls hätte man damit einen größeren Entgiftungseinsatz durchführen können, so die Aussage.

                            Interessant deine Ausführung, dass der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl 1987 die Teilnahme an einer Wintex-Übung abgebrochen habe, da die NATO-Führung an einem Nuklearwaffeneinsatz auf dem Gebiet der Bundesrepublik festgehalten hat. Sicher ein Dilema für jeden deutschen Politiker sowie Militär. Im Bewustsein zu handeln, dass das Bündnis dem man angehörte dem gegnerischen Bündnis als Ultima Ratio den Einsatz von Waffen - notfalls auch auf dem eigenen Territorium - androhte, die in letzter Konsequenz auch die Existenz des eigenen Volkes gefärdeten. Frag mich jetzt nicht nach einer Quelle aber aus meiner Erinnerung würde ich sagen gab es 1981 ein Symposium unter Teilnahme hoher Offiziere des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, das als Thema die Notfallmedizin nach einem bewaffneten Konflikt unter Einsatz von Nuklearwaffen auf dem Gebietder Bundesrepublik Deutschland zum Thema hatte. In einem Interview äußerte ein Generalarzt (genaue Bezeichnung weis ich nicht mehr) auf mehrmaliges Nachfragen des Journalisten auf diesen Interessenkonflikt der deutschen Seite auf einen eventuellen Nuklearwaffeneinsatz angesprochen in etwa dem Sinn nach so: "sein Sie versichert, die politische und militärische Führung dieses Landes würde alles in ihrer Macht stehende tun um den Einsatz militärischer Mittel auf unserem eigenen Territorium, die den Bestand des deutschen Volkes gefährden würden zu verhindern". Auf die Nachfrage was genau er damit meine und ob Einheiten der Bundeswehr notfalls mit Waffengewalt den Einsatz von Atomwaffen durch alliierte Streitkräfte auf deutschen Boden verhindern würden, kam als Antwort in etwa so: die deutschen Streitkräfte sind dafür da den Bestand des deutschen Volkes zu Sichern und diesen Auftrag würde man unter Einsatz aller Optionen durchführen. Die Bundeswehr sei schließlich die einzige Armee hier die eigene nationale Interessen vertritt Ich fand das damals bemerkenswert, den indirekt stellte dieser General in einer solchen Aussage die Interessen des eigenen Landes doch über die der NATO. Leider kann ich keine Quellenangabe mehr machen habe diese Interwiev aber zu Beginn der achtziger Jahre gelesen. Inwieweit eine Bundesregierung sich einem Nuklearwaffeneinsatz der NATO auf deutschem Territorium aber wirklich entgegengestellt hätte sei mal dahin gestellt. So Recht vorstellen kann ich es mir auch im Nachhinein nicht.

                            Danke auch für deine gesammten Ausführungen zum eigentlichen Thema des Threads: " Militärische Operationen in Niederbayern/Oberpfalz während eines Konfliktes". Diese sind beeindruckend, ich werde sie in mein Archiv aufnehmen.

                            Gruß
                            Ritchie 66
                            Zuletzt geändert von Ritchie 66; 19.07.2011, 11:36.

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                            • uraken
                              Cold Warrior
                              • 27.09.2008
                              • 865

                              #15
                              Wobei es mir immer noch schleierhaft ist wie man mit dem 2 "Frontlinie" Divisionen 4.PzGren und 1.Gebirgs Div eine Frontlinie von mindestens 200km von Oberfranken bis zur österreichischen Grenze halten wollte.

                              Selbst wenn man die 10. Pz Div hinzunehmen würde, wären das immer noch ~70km pro Division. Oder 35km für die beiden vorderen Brigaden (Annahme eine Division kämpft mit 2 Brigaden vorne und einer als Reserve).

                              Die große Gefahr bestand meiner bescheidenen Meinung darin das bedingt durch die nummerische Unterlegenheit und die Weite des zu verteidigenden Raums die vorderen Verbände durch Angriffe gebunden worden wären, durch anderen Kräfte umgangen und eingeschlossen worden wären.

                              Die 4 CMBG war Reserve sowohl für das II. Deutsche als auch für das VII US Korps.

                              Im Süden würde sich die Donau als natürliche Verteidigungslinie anbieten.

                              Ein bisschen Gefühl für die Situation kann man kriegen wenn man sich eine der WW3 Simulation besorgt und mal versucht so etwas durch zu "spielen".
                              Es ist verdammt ernüchternd wenn man feststellt das der Haufen, bei dem man war, ganz schnell als Totalverlust enden kann und man dies wohl nicht überlebt hätte.

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