Als Soldat der Bundeswehr in Frankreich (um 1963 / 1965)

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  • Nemere
    Cold Warrior
    • 12.06.2008
    • 2843

    #1

    Als Soldat der Bundeswehr in Frankreich (um 1963 / 1965)

    Ich habe als Beilage in einem antiquarisch erworbenen Buch eine Broschüre des Führungsstabes der Bundeswehr mit dem Titel „Als Soldat der Bundeswehr in Frankreich“ gefunden. Das Heft dürfte nach Inhalt, Stil und Aufmachung aus der Zeit etwa um 1963 – 1965 stammen, es ist von Grafik und Schriftbild im typischen Stil der damaligen Ausgaben der „Informationen für die Truppe“ bzw. der „Schriftenreihe Innere Führung“ gehalten. Die wesentlichen Teile füge ich als pdf bei, den reinen Sprachführerteil habe ich weggelassen.
    Ich finde es ganz interessant, so eine Informationsbroschüre unter verschiedenen Aspekten zu betrachten.

    Über die Aussagen zu den musischen Interessen (S. 6) kann man sicher streiten. Wenn ich da lese: „Wem von uns ist nicht der eine oder andere dieser Namen geläufig: Watteau, Ingres, Manet, Cezanne, Degas, Gauguin, Braque, Picasso, Roault?“, dann habe ich da schon so meine Zweifel, ob der „normale“ französische oder deutsche Soldat mit diesen Malern vertraut damals vertraut war. Picasso oder Gauguin werden die meisten schon mal gehört haben, aber Roualt, Watteau oder Ingres? Nicht viel besser dürfte es bei den weiter unten aufgezählten Schriftstellern gewesen sein.

    Voll dem damaligen politischen Zeitgeist mitten im kalten Krieg entsprechen die Aussagen zu den französischen Kommunisten auf den Seiten 8 und 9. Man sollte im Gedächtnis behalten, das in Deutschland die kommunistische Partei seit 1956 verboten war, in Frankreich und Italien dagegen saßen die Kommunisten ganz selbstverständlich im Parlament.

    Dann kommen ab S. 10 die Verhaltensregeln, unter 4. kommt die Alkoholfrage ins Spiel: „Jeder darf in der Öffentlichkeit in Frankreich nur so viel trinken, daß er nach den deutschen Polizeibestimmungen noch zum Führen eines Kraftfahrzeuges berechtigt wäre.“ Die Promillegrenze, also ab der Alkohol am Steuer auch ohne Auffälligkeiten bereits mindestens als Ordnungswidrigkeit bzw. damals noch Vergehen galt, lag bis 1973 noch bei 1, 5 Promille.

    Auf S. 21/22 gibt es noch einige Angaben zu Preisen. Der Liter Wein im Laden kostet 1,35 Franc, also etwa 1,10 DM, in Deutschland dürfte der Liter damals mindestens das Doppelte und mehr gekostet haben. Untrinkbare Erzeugnisse wie „Liebfrauenmilch“ lagen damals bei um die 3,-- DM (habe ich in einem alten Werbezettel dieser Zeit gelesen).

    Die Postgebühren waren etwas teuerer als die deutschen Tarife, da Briefe usw. nach Frankreich und Belgien seit 1963 das gleiche wie innerhalb der BRD kosteten: Postkarte 15 und Brief 20 Pfennige.
    Der Liter Normalbenzin kostet 1965 in Deutschland etwa 58 Pfennige, also deutlich billiger als in Frankreich (1 Franc = 0,82 DM).
    Angehängte Dateien
  • kato
    Cold Warrior
    • 03.03.2009
    • 870

    #2
    Zitat von Nemere Beitrag anzeigen
    Picasso oder Gauguin werden die meisten schon mal gehört haben, aber Roualt, Watteau oder Ingres?
    Ingres kennt man zwar nicht vom Namen her, aber eins seiner klassischen Napoleon-Bonaparte-Bilder wird jeder mal gesehen haben.
    Die Schriftsteller sollte man eigentlich alle kennen. Anouilh heutzutage nicht mehr so, aber in den 50ern und 60ern waren seine Werke Standardrepertoire für z.B. studentische Theatergruppen und wurden damals recht häufig in Deutschland aufgeführt.

    Ich finds bemerkenswert dass der Freundschaftsvertrag von Elysee mit keinem Wort erwähnt wird, gerade bei den Abschnitten "Als Verbündeter" oder "Fankreich und Deutschland" wäre das recht passend gewesen. Evtl. war daher der Druck bzw Redaktionsschluss schon früher als Januar '63.

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    • Nemere
      Cold Warrior
      • 12.06.2008
      • 2843

      #3
      Zitat von kato Beitrag anzeigen
      Die Schriftsteller sollte man eigentlich alle kennen. Anouilh heutzutage nicht mehr so, aber in den 50ern und 60ern waren seine Werke Standardrepertoire für z.B. studentische Theatergruppen und wurden damals recht häufig in Deutschland aufgeführt.
      Glaubst Du allen Ernstes, dass ein wehrpflichtiger Mannschaftsdienstgrad des Jahres 1963 mit Volksschule (so hieß das damals noch) oder ein Unteroffizier, der den größten Teil seiner Schulzeit während des Zweiten Weltkrieges mit Schulausfällen usw. hinter sich gebracht hat Anouilh, Sarte oder Camus kannte? Kann ich mir nicht vorstellen. Bei jüngeren Offizieren, die nach 1945 ihr Abitur abgelegt haben, mag das etwas anderes ausgesehen haben.

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      • kato
        Cold Warrior
        • 03.03.2009
        • 870

        #4
        Zitat von Nemere Beitrag anzeigen
        Glaubst Du allen Ernstes, dass ein wehrpflichtiger Mannschaftsdienstgrad des Jahres 1963 mit Volksschule (so hieß das damals noch) oder ein Unteroffizier, der den größten Teil seiner Schulzeit während des Zweiten Weltkrieges mit Schulausfällen usw. hinter sich gebracht hat Anouilh, Sarte oder Camus kannte?
        Mein Vater war 1963 gerade 18 und mitten in der Ausbildung nach Abschluss in einem Progymnasium (also Realschulabschluss) in der französischen Zone. Mit Französisch als einziger Schul-Fremdsprache, Englisch durfte er während der Ausbildung nebenher lernen. Wenn er in Deutschland geblieben wäre, wäre er als Wehrdienstleistender wohl prädestinisert gewesen für einen Einsatz Richtung Frankreich. Ja, dem sagten die damals was.

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