Übernommene Sperrorte aus Wehrmachtszeiten in Nordbayern.

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  • Nemere
    Cold Warrior
    • 12.06.2008
    • 2843

    #1

    Übernommene Sperrorte aus Wehrmachtszeiten in Nordbayern.

    Ich beschäftige mich z.Zt. für den Raum Hof / Wunsiedel / Tirschenreuth mit dem sog. „Grenzschutz“, den die Wehrmacht ab 1933 an der Grenze Bayern – Tschechoslowakei eingerichtet hatte – teils unter Nutzung verbotener Vorbereitungsmaßnahmen der Reichswehr.
    Dazu gehörte auch eine umfangreiche Sperrorganisation.

    Im BA-MA habe ich jetzt einige Listen über die Sperrplanung vom März 1934 gefunden (BA-MA, RH 53/7-1347). Hier sind einige Sperrorte verzeichnet, an denen wir später auch Sperrvorbereitungen der Bundeswehr finden. Bereits 1934 vorhandene Sperreinbauten sind mit einem roten Kreis gekennzeichnet.

    Beispiele:
    a) In der Liste der Eisenbahnsperren ist unter der Nr. 124/115 die Eisenbahnbrücke über den Perlenbach an der Strecke Rehau – Schönwald verzeichnet. Hier gab es 1934 bereits vorbereitete „Minenkammern“, die nach 1945 auch wieder von den Wallmeistern der Bundeswehr genutzt wurden.

    b) Die unter Nr. 112/33 genannte Eisenbahnbrücke über die Saale nördlich von Hof ist die 1848 erbaute Eisenbahnbrücke in Unterkotzau. 1934 gab es dort noch keine Sprengkammern. Schon im Krieg 1866 war es nicht gelungen, diese sehr massiv gebaute Brücke mit offen angebrachten Ladungen zu zerstören. Auch 1945 klappte das nicht, weil der Bedarf an Sprengmitteln und der Zeitaufwand immens gewesen wäre. Die Bundeswehr ließ dann in der Südrampe eine Sprengkammer einbauen.

    Gerade bei den Eisenbahnbrücken lässt sich sehr gut nachvollziehen, wie über die Jahrzehnte, im Fall der Unterkotzauer Brücke sogar über 150 Jahre, das Gelände zu immer den gleichen Sperrplanungen führte. Bei den Straßensperren gab es natürlich durch die massenhaften Straßenneubauten nach 1945 sehr viel mehr Änderungen.

    Bemerkenswert ist auch, dass ab 1933 im Rahmen des erwähnten Grenzschutzes die Gemeinden und Forstämter massiv in das Anlegen der Sperren einbezogen waren. Baumsperren in den Wäldern und Barrikaden in den Ortschaften mussten im Kriegsfall durch die Forst- und Gemeindeverwaltungen angelegt werden, diese hatten dafür auch bereits im Frieden das notwendige Material (Fahrzeuge, Bäume usw.). Es gab dafür bei diesen Stellen eigene „Alarmkalender“, welche die vorgesehenen Arbeiten genau festlegten.
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  • klaus_erl
    Cold Warrior
    • 14.04.2013
    • 1057

    #2
    Im ersten Moment war ich erstaunt, die Eisenbahnbrücke über die Bayreuther Straße in Münchberg (DOSPA 4768) nicht in der Auflistung zu finden.

    Die Nichtnennung ist aber korrekt, wurde doch die heutige Brücke mit ihren Sprengkammern erst 1936 als Ersatz für die vorher dort befindliche Bogenbrücke errichtet. Mit dem Brückenneubau schuf man einerseits obenauf Platz für die erweiterten Gleisanlagen im westlichen Bahnhofskopf, andererseits erweiterte man das Durchfahrtsprofil für die Straße unter der Brücke. Diese Brücke sollte am Kriegsende gesprengt werden, das konnte gerade noch verhindert werden.

    Die Sprengkammern wurden als Brückensperre in der Nachkriegszeit weiterverwendet.

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    • Nemere
      Cold Warrior
      • 12.06.2008
      • 2843

      #3
      Zitat von klaus_erl Beitrag anzeigen
      Im ersten Moment war ich erstaunt, die Eisenbahnbrücke über die Bayreuther Straße in Münchberg (DOSPA 4768) nicht in der Auflistung zu finden.
      Münchberg, also der "Altlandkreis" Münchberg, fiel nach 1933 nicht in den Bereich damaligen Grenzschutzes. Korrekt müsste man bis 1939 noch vom Bezirksamt Münchberg sprechen. Es waren dort auch keine Gerätelager für die Grenzwacht vorgesehen, die es in den (Alt-) Landkreisen Rehau und Wunsiedel fast in jedem Dorf gab.
      Andererseits war der Bezirk Münchberg einer der Bezirke, der bereits ab 1923 bei einer etwaigen tschechischen Aggression zur Räumung vorgesehen war. Es gab dafür ausführliche Marschpläne für Straße und Eisenbahn einschließlich der Planung der Transportkapazitäten für den Abschub von Vieh und Industriegütern. Für die Einladestation Helmbrechts waren z.B. 55 Eisenbahn-Waggons vorgesehen, für Münchberg 95, für Sparneck 23 und für Stammbach 28.
      Kann man ausführlich nachlesen in dem Aufsatz von Helmut Hennig: Die Räumung Nordostbayerns. Planungen aus dem Jahr 1923, In: Archiv für Geschichte von Oberfranken 91 (2011), S. 227 - 236.

      Noch zu Ergänzung: Ich habe ich meinem ersten Beitrag die DOSPA-Nummern für die erwähnten beiden Brücken vergessen:
      Eisenbahnbrücke Unterkotzau DOSPA 4764
      Eisenbahnbrücke bei Rehau- Perlenbach DOSPA 4691

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      • klaus_erl
        Cold Warrior
        • 14.04.2013
        • 1057

        #4
        Zitat von Nemere Beitrag anzeigen
        Münchberg, also der "Altlandkreis" Münchberg, fiel nach 1933 nicht in den Bereich damaligen Grenzschutzes.
        In diesem Zusammenhang irritiert mich, dass die Brücken bei Untersteinach und Schlömen auftauchen, zwar nicht vorbereitet aber in Liste nd Karte genannt. Gibt es eine Erklärung dafür? Könnte der Grund sein, dass diese zwar weiter von der tschechischen Grenze weg sind als der Raum Münchberg, aber per Bahn von dort aus ohne Richtungswechsel erreichbar?

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        • Nemere
          Cold Warrior
          • 12.06.2008
          • 2843

          #5
          Zitat von klaus_erl Beitrag anzeigen
          Könnte der Grund sein, dass diese zwar weiter von der tschechischen Grenze weg sind als der Raum Münchberg, aber per Bahn von dort aus ohne Richtungswechsel erreichbar?
          Es kann gut möglich sein, dass solche Überlegungen bei der Sperrplanung eine Rolle spielten. Man rechnete damals durchaus auch mit dem Einsatz von Panzerzügen durch den Feind. Die zweite in Frage kommende Eisenbahnstrecke von Eger über Asch – Selb – Rehau –Richtung Hof hätte für einen Vormarsch nach Westen in Oberkotzau oder spätestens in Hof einen Richtungswechsel, ein Umsetzen des Zuges erforderlich gemacht.

          Man muss im Auge behalten, dass diese Sperrlisten von 1934 stammen. Damals war es mit dem Grenzschutz noch nicht so weit her. Die Bewaffnung war sehr spärlich, Panzerabwehrkanonen, mit denen sich ein Panzerzug hätte bekämpfen lassen, war noch nicht vorhanden. Selbst die Infanteriebewaffnung war hoffnungslos veraltet. Beim Grenzschutz gab es 1934 das Gewehr 88, das schon im ersten Weltkrieg nicht mehr erste Wahl war, als Faustfeuerwaffe führte man den „Reichsrevolver 83“, der noch Schwarzpulverpatronen verschoß. Diese uralten Waffen müssen wahrscheinlich nach 1918 die Zeit des Versailler Vertrages in geheimen Verstecken der „Schwarzen Reichswehr“ oder irgendwelcher Heimwehren überdauert haben, bei der offiziellen Reichswehr wurden diese Modelle nicht geführt.
          Erst ab 1936 entstand die „Bayerisch-tschechische Grenzbefestigung“ mit zumindest einigen vorbereiteten Befestigungen, z.B. in Schirnding.

          Leider sind im BA-MA vorhandenen Unterlagen zum Grenzsschutz recht lückenhaft und beinhalten vor allem viel Verwaltungskram. Irgendwelche taktischen Einsatzbefehle oder Lagebeurteilungen habe ich bisher nicht entdeckt.

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          • Schwarzpulver
            Rekrut
            • 19.02.2014
            • 8

            #6
            Gibt´s sowas auch im nederbayrischen Raum, bzw zur österreichischen Grenze hin? Kenn da ein paas Sperrmittelhäuser neben Brücken, die sich alle sehr ähnlich sind.
            Suche auch sowas wie einen Bauplan für diese Häuser, das müssten fast "Normbauten" gewesen sein.....

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            • Nemere
              Cold Warrior
              • 12.06.2008
              • 2843

              #7
              Für Niederbayern und Oberbayern zur österreichischen Grenze hin habe ich bisher noch keine diesbezüglichen Unterlagen entdeckt.

              Das Problem ist, das Bayern bis 1937 komplett zum Wehrkreiskommando VII in München gehörte. 1937 wurde neu der Wehrkreis XIII in Nürnberg aufgestellt, der grob Bayern nördlich der Donau, also die heutigen fränkischen Regierungsbezirke, die Oberpfalz, den Bayerischen Wald und ab 1938 einige Standorte im Sudetenland und im Taubertal umfasste. Für den nordbayerischen Wehrkreis XIII sind geringe Bestände zum Grenzschutz und zu den Sperranlagen im Bundesarchiv vorhanden, teilweise auch digitalisiert. Abgedeckt werden aber nach meinen bisherigen Erkenntnissen nur Bereiche in Oberfranken und in der Oberpfalz.

              Für den Wehrkreis VII - München / Bayern südlich der Donau ist zum Grenzschutz und dessen Sperranlagen digitalisiert überhaupt nichts vorhanden. Es gibt einige wenige, bisher nicht digitalisierte Bestände, die sich teilweise auch mit dem Grenzschutz befassen. In welchem Umfang dort auf den Grenzschutz und etwaige vorbereitete Sperranlagen eingegangen wird, kann ich nicht beurteilen. Ich füge die Kurzbeschreibungen dieser Bestände bei.
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