Untergrundarmeen in der Bundesrepublik vor Aufstellung der Bundeswehr

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  • Nemere
    Cold Warrior
    • 12.06.2008
    • 2822

    #1

    Untergrundarmeen in der Bundesrepublik vor Aufstellung der Bundeswehr

    Hallo,

    Unter dem Link


    sind die bisher veröffentlichten Studien der "Unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes 1945 – 1968" abrufbar.

    Besonders interessant finde ich die Studie Nr. 3 "Die Organisation Gehlen und die Verteidigung Westdeutschlands. Alte Elitedivisionen und neue Militärstrukturen, 1949 – 1953".


    In dieser Arbeit wird unter Nutzung bisher nicht ausgewerteter Quellen beschrieben, wie ab 1949 ehemalige Wehrmachtsoffiziere mit Zustimmung der Besatzungsmächte noch bestehende Strukturen deutscher Weltkriegsdivisionen nutzten, um im Geheimen die Kader von Milizverbänden zu organisieren. Bis 1953 konnte diese Organisation dann immerhin auf Kräfte in Stärke von 3 - 4 Divisionen und den Stab eines Armeekorps zurückgreifen.

    Dabei stützte man sich vor allem auf Divisionen, die aus Sicht der Besatzungsmächte als "Elite-"Truppen der Wehrmacht angesehen wurden. Neben den Panzerdivisionen handelte es sich dabei vor allem um die bei Kriegsbeginn vorhandenen Divisionen der sog. 1. Aufstellungswelle, deren Regimenter hervorragend ausgebildet waren. Dabei wurden auch die sich Anfang der 1950er Jahre bildenden Veteranen-Vereinigungen der Wehrmacht ausgenutzt.
    Einer der Aufgaben dieser unter Decknamen wie "Unternehmen Versicherung" oder "Windhund-Organisation" laufenden Aktion sollte auch die Bildung einer Art "Deckungs-Armee" sein, bis mit der Aufstellung der Bundeswehr wieder reguläre Truppen zur Verfügung standen.

    In dieser Untergrundarmee sind Anfänge der immer noch nicht vollständig aufgeklärten "Stay behind"-Organisation und ihrer Verbindungen zu "Gladio" zu sehen.
    Hauptorganisator war der damalige Oberst i.G.a.D. Schnez, der später noch zum Generalinspekteur der Bundeswehr aufstieg und 1968 mit der berühmt-berüchtigten "Schnez-Studie" Furore machte.

    Aufschlußreich ist auch die Studie 4 "Der BND und der Prager Frühling".



    Grüße
    Jörg
  • rubeck1
    Cold Warrior
    • 06.06.2009
    • 478

    #2
    Mir bleibt da ja fast die Luft weg... Danke an Nemere für die Veröffentlichung dieser, zumindest für so einen harmlosen Ex-Landser wie mich völlig neuen Informationen. Mir war zwar schon seit Langem bekannt, dass es geheime Strukturen einer Verteidigung bei evtl. Besetzung ("stay behind" oder "Gladio"; und wie so oft hatte ich dabei den Eindruck, dass mehr dahinter stecken musste) aber diese Geschichten aus der Welt von Adenauer, Gehlen, Schwerin und wie sie alle hießen, sind mir neu. Das ist echt der Hammer: "Crack"-Divisionen! Dieser Name wäre heute natürlich schon ein bisschen missverständlich, aber heute gibt es ja auch kaum noch Divisionen.
    Sonderwaffenlager Fischbach bei Dahn
    Interessengemeinschaft "area 1" -
    militärgeschichtlicher Verein e.V.
    www.ig-area-one.de

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    • Rex Danny
      Administrator
      • 12.06.2008
      • 4312

      #3
      Zitat von rubeck1 Beitrag anzeigen
      ....., aber heute gibt es ja auch kaum noch Divisionen.
      Dafür aber leider um so mehr Crack..........

      Kommentar

      • Nemere
        Cold Warrior
        • 12.06.2008
        • 2822

        #4
        "crack" wird im Englischen auch als "erstklassig" oder "der Beste" übersetzt, von der Droge "Crack" hat man wahrscheinlich um 1950 noch keine Ahnung gehabt.

        Kommentar

        • Rex Danny
          Administrator
          • 12.06.2008
          • 4312

          #5
          Zitat von Nemere Beitrag anzeigen
          "crack" wird im Englischen auch als "erstklassig" oder "der Beste" übersetzt, von der Droge "Crack" hat man wahrscheinlich um 1950 noch keine Ahnung gehabt.
          Wenn man damals gewusst hätte, welche Bedeutung das Wort "Crack" einmal bekommen wird, wäre sicherlich eine andere Bezeichnung in den 50ern gewählt worden.

          Grüße


          Rex Danny

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          • DeltaEcho80
            Cold Warrior
            • 09.03.2013
            • 1701

            #6
            Irgendwie so etwas hatte ich allerdings schon immer zumindest vermutet.

            Die Lebensläufe der genannten Herren hatten auch zumindest für gewisse Zeiträume blinde Flecke: " als Berater für die noch junge Bundesrepublik" usw.

            Ich bin mal gespannt, was da nach 50,60,70 Jahren noch so alles in den Archiven auftaucht

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            • Gummy Bear
              Rekrut
              • 09.08.2016
              • 33

              #7
              Ein sehr interessanter und überaus aufschlussreicher Beitrag, vor allem die Studie dazu hat mich gefesselt.

              Ehrlich gesagt beruhigt es mich zu wissen, dass die Blauäugigkeit nicht Überhand bekommen hat und man sich in relevanten Kreisen auch realistisch mit aktueller Sicherheitspolitik auseinander gesetzt hat.
              Die Argumentation ist plausibel, das Handlungsschema legitim. Und von einer Regierung erwarte ich nichts Anderes, als dass sie auf alle Eventualitäten eine Antwort findet, und je eher man vorbereitet ist, desto schneller hat man eine parat.

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              • Nemere
                Cold Warrior
                • 12.06.2008
                • 2822

                #8
                Zitat von Gummy Bear Beitrag anzeigen
                Die Argumentation ist plausibel, das Handlungsschema legitim. Und von einer Regierung erwarte ich nichts Anderes, als dass sie auf alle Eventualitäten eine Antwort findet, und je eher man vorbereitet ist, desto schneller hat man eine parat.
                Du hast vollkommen recht. Leider ging dieses pragmatische Handeln der Regierungen in der Folge zunehmend verloren und wurde zu häufig durch parteipolitisches Taktieren ersetzt. In den 1960er Jahren bedurfte es jahrelanger Diskussionen um die nur die allernotwendigsten Notstandsgesetze durchzubekommen, die aber bis zum Ende des kalten Krieges nicht zu Ende gedacht wurden, geschweige denn das es wirklich eine konsequente Planung für den Verteidigungsfall gegeben hätte.
                Dinge wie Bevölkerungsbewegungen, Wehrgerichtsbarkeit im V-Fall, Kriegsgefangenenwesen usw. wurden nie auch nur ansatzweise praktikabel geregelt.

                Wenn man sich dagegen überlegt, das in der Schweiz in den 1960er Jahren die (bei uns als terroristische Schrift immer noch verbotene) Broschüre "Der totale Krieg - Kleinkriegsanleitung für jedermann" nahezu an jeden Haushalt verteilt wurde...

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                • Orbiter
                  Warrior
                  • 07.06.2009
                  • 76

                  #9
                  Hallo Zusammen
                  Das Buch scheint es noch zu geben in einer Neueren Auflage

                  Titel Der totale Widerstand: Kleinkriegsanleitung für jedermann
                  Autor Hans von Dach
                  Ausgabe 2
                  Verlag K.-H. Dissberger, 1985
                  ISBN 3924753024, 9783924753023
                  Länge 281 Seiten

                  Grüße Uwe
                  Orbiter
                  3/22 Nike
                  Sonderwaffenlager Fischbach bei Dahn
                  Interessengemeinschaft „Area 1" militärgeschichtlicher Verein e.V.
                  www.ig-area-one.de
                  IG Area One @ Facebook

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                  • Gummy Bear
                    Rekrut
                    • 09.08.2016
                    • 33

                    #10
                    @Orbiter
                    Es scheint mehrere Ausgaben einer Reihe zu geben.
                    Bei einem bekannten online-Händler, der seinen Namen von weiblichen Wesen der griechischen Mythologie herrührt, fand ich dies

                    Booby Traps, Kleinkriegsanleitung für Jedermann
                    Oberst Hans von Kyburg / Colonel Mike Weber
                    unbekannter Einband
                    ISBN 3952112755 / 978-3952112755


                    @Nemere
                    Eine Miliz-Armee wie die eidgenössische musst du auf dem Laufenden halten.
                    Ein stehendes Heer kannst du kurzfristig in Übung schicken, die Kameraden sind ja eh da. Die Gelegenheitssoldaten brauchen eben ein Nachschlagewerk für die Themen, mit denen sie nicht ständig konfrontiert werden.
                    Das Buch lag wahrscheinlich im selben Schrank wie deren Waffen ...


                    Grundsätzlich hätte ich ja nichts gegen den Weltfrieden.
                    Ich würde ja meinen Töchtern auch gerne Reitunterricht auf einem Einhorn spendieren.

                    Will sagen: Man sollte realistisch bleiben.
                    Solange es Menschen gibt wird immer mindestens einer versuchen, den anderen zu übervorteilen. Wäre unsere Spezies belehrbar, würde es nicht seit Jahrtausenden irgendwo auf diesem Planeten irgendwo Kriege und Konflikte geben.
                    Und genau darum hoffe ich, dass unsere aktuelle Regierung irgendwann aufhört, nur auf "Volkes Stimme" zu hören und sich mehr auf Vernunft zu konzentrieren.

                    Kommentar

                    • Nemere
                      Cold Warrior
                      • 12.06.2008
                      • 2822

                      #11
                      Was da angeboten wird, sind veränderte und vor allem "entschärfte" Ausgaben, oft gemixt mit Auszügen aus angeblichen "Special forces Handbüchern", wie z.B. auf dem Titelbild des bei Gummy Bear genannten Anbieters erkennbar. Auch die beiden dort genannten Verfasser sind nicht existente Pseudonyme.

                      Die Originalausgabe steht immer noch (seit 1988) auf der Liste der indizierten Printmedien der Bundesprüfstelle.


                      S. 67 unter "totale".

                      Damit unterliegt die Originalausgabe bestimmten Verkaufs- oder Vertriebsverboten, der Besitz ist zumindest für Erwachsene nicht strafbar. Die Rechtsprechung neigt inzwischen dazu, auch das zur Verfügungstellen elektronischer Varianten der Originalausgabe (z.B. als pdf, E-Book), als Verstoss gegen die Indizierung zu verfolgen.
                      Man konnte den "totalen Widerstand" aber auch in der Vergangenheit problemlos in Bibliotheken einsehen. In der Bibliothek der Offizierschule des Heeres in Hannover oder der Schule für Feldjäger und Stabsdienst in Sonthofen stand das Buch mehrfach, einträchtig neben der ebenfalls sehr brauchbaren Reihe "Gefechtstechnik" des gleichen Autors. Ich habe mir daraus für die Ausbildung manche Anregungen geholt, die unserer doch recht trockenen ZDv 3/11 "Gefechtsdienst" nicht enthalten waren.

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                      • Tutenberg
                        Warrior
                        • 04.01.2022
                        • 61

                        #12
                        Hallo,

                        für alle, die sich mit dem Thema "Gladio" etwas genauer beschäftigen wollen, habe ich im Bundesarchiv in den Beständen des Bundesnachrichtendienstes etwas gefunden.

                        Habe es allerdings auch erst nur überflogen. Was ich gesehen habe, scheint aber ganz interessant zu sein.

                        - Sicherheitsstudie aus dem Jahr 1965
                        - Anbahnung im Kriegsfall
                        - Beschaffungsauftrag für die Organisation
                        - Aufbau des Netzes
                        - Unterlagen über erkundete Übergänge von Rhein und Weser
                        - usw.

                        Zu finden ist das Dokument im Bundesarchiv unter:

                        B 206/51145

                        oder hier



                        Gruß

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                        • Nemere
                          Cold Warrior
                          • 12.06.2008
                          • 2822

                          #13
                          Ich habe mich etwas näher mit dieser Akte des BND befasst. Mein Eindruck ist recht zwiespältig.

                          Insgesamt wirken diese Dokumente auf mich recht dilettantisch und unprofessionell. Möglicherweise war es Spiel- oder Übungsmaterial des BND, welches der BND jetzt bereitgestellt hat, um seine „Transparenz“ zu beweisen, allerdings ohne auf geringe Bedeutung dieser Papiere hinzuweisen. Alles wirkt so ein bisschen, wie wenn der kleine Fritz Geheimdienst spielt, auch hat man seitenweise aus dem Schweizer Handbuch „Der totale Widerstand“ abgeschrieben. Andererseits passt die Machart zu der in den letzten Jahren bekanntgewordenen geringen Effizienz des BND in den 1950er und 1960er Jahren, z.B. Versagen 1953 beim Volksaufstand in der DDR, 1961 beim Mauerbau und 1968 beim Einmarsch in die CSSR.

                          Die „Sicherheitsstudie“ von 1965 am Anfang der Akte ist eine Art Besinnungsaufsatz zu dem Thema „Was passiert, wenn sich der böse Kommunismus bei uns im Lande breit macht – sei es durch offene oder durch verdeckte Aktionen“.

                          Die folgende Abhandlung zum Thema „Anbahnung im Krieg“ befasst sich mit der Frage, wie im Kriegsfall im besetzten Land Geheimdienstmitarbeiter gewonnen werden können. Es ist eine Anhäufung von Plattitüden und Binsenweisheiten.

                          Ab Seite 113 wird der Aufbau eines TEILBEREICHS (!) der „Stay behind“-Organisation behandelt. Es geht hier nur um das „E*E“ – Netz, also evasion and escape, also darum, gefährdete Personen zu evakuieren und aus dem besetzten Land zu bringen oder im Gegenzug Agenten einzuschleusen. Es geht nicht um die vor allem mit „Gladio“ verbundenen Aktionen wie Sabotage, Terror- oder Partisanenaktionen.

                          Interessant finde ich hier die einleitende Behauptung (S.121, ist beigefügt), das angeblich die Amerikaner in den Kriegsjahren 1942 – 45 durch ein in Deutschland aufgebautes E + E-Netz über 10.000 Soldaten in die eigenen Linien zurückbringen konnten. Nun hat es sicher während des zweiten Weltkriegs einzelne Fälle gegeben, wo abgeschossene Piloten, Widerstandskämpfer, Agenten usw. aus dem deutschen Machtbereich wieder in alliiertes Gebiet geschleust wurden. Aber solche Aktionen fanden vor allem in den besetzten Gebieten statt (Frankreich, Belgien, Holland, Dänemark, Norwegen, Italien ab 1943 und im geringeren Ausmaß auf dem Balkan), also in Regionen wo es eine mehr oder weniger aktive Widerstands- und Partisanenbewegung (Resistance usw.) gab. Im Deutschen Reichsgebiet sind kaum solche Aktionen nachweisbar, weil es hier einfach keine wirklich zu aktiven Aktionen fähige Widerstandsbewegung gab. Die Zahl von über 10.000 Soldaten halte ich für völlig aus der Luft gegriffen.

                          Behandelt werden vor allem organisatorische Punkte, bis hin zur akribischen Festlegung, wie viele Feuerzeuge, Unterhosen und Hosenträger bei den jeweiligen Stützpunkten zu hinterlegen sind.
                          Die eigentlich problematischen Fragen solcher Unternehmungen werden allenfalls angerissen, aber nicht gelöst:
                          - Wie nehmen die zu schleusenden Personen mit dem E + E-Netz Verbindung auf?
                          - Wie erfolgt die gegenseitige Legitimation und Sicherheitsüberprüfung?
                          - Wie kommt man durch die feindlichen Linien – vor allem in unmittelbaren Frontbereich?
                          - Wie nimmt man Verbindung mit den eigenen Kräften auf?
                          usw., usw.

                          Die dann folgenden Erkundungsmeldungen zu Übergangsmöglichkeiten am Oberrhein und an der Weser sind wieder ausgesprochen oberflächlich und laienhaft. Auf die Idee, die vorhandenen Sonderkarten der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung oder der Pioniere der Bundeswehr zu nutzen, ist anscheinend keiner gekommen.
                          Insgesamt verstärkt diese Akte bei mir den Eindruck, dass der BND der Gehlen-Zeit vor allem davon lebte, das sein Leiter sich sehr gut verkaufen konnte, ohne wirklich durchgehend substantiell brauchbare Ergebnisse zu liefern.
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