Deutsches Waffenrecht und ein Museum im Jahre 2022

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  • DeltaEcho80
    Cold Warrior
    • 09.03.2013
    • 1713

    #1

    Deutsches Waffenrecht und ein Museum im Jahre 2022

    Das Henneberg-Museum im unterfränkischen Münnerstadt bzw. die Stadt als Träger hat nun beschlossen, dass von den 42 historischen Waffen, die im Besitz des Museums sind, 31 Waffen vernichtet werden und 11 so umgebaut werden, dass sie nicht mehr brauchbar sind.

    Diesem Beschluss war eine lange Debatte voran gegangen. Der Museumsleiter hat sich eingehend mit dem Thema beschäftigen müssen und nun diese Lösung erarbeitet. Für mich liest sich der MainPost Artikel über die Stadtratssitzung so, als wenn man die Diskussion einfach aus der Welt schaffen will, in dem man die historischen Werte sang - und klanglos der Vernichtung preis gibt:

    Ich kann momentan den Artikel noch frei lesen:

  • kato
    Cold Warrior
    • 03.03.2009
    • 870

    #2
    Zitat von DeltaEcho80 Beitrag anzeigen
    Der Museumsleiter hat sich eingehend mit dem Thema beschäftigen müssen und nun diese Lösung erarbeitet.
    Es gibt da einschlägige Handreichungen von den Bundesländern (Beispiel für Baden-Württemberg von der Landesstelle für Museumsbetreuung, für Bayern wird es ähnliches geben), in denen der Sachstand und Lösungsansätze dargelegt wird. Die Übergangslösung war anscheinend, den Bestand bei einem Waffenhändler einzulagern, der dafür aber natürlich Geld will.

    Eine Erhaltung des Bestands im funktionstüchtigen Zustand stand laut der Original-Niederschrift der Stadtratssitzung aufgrund der hierfür nötigen Aufwendungen auch gar nicht erst zur Diskussion - die drei dem Stadtrat vorgelegten Optionen waren Funktionsuntüchtigkeit, Verkauf oder Vernichtung. Der Museumsleiter wurde dementsprechend letztes Jahr beauftragt zu evaluieren bei welchen Gegenständen aus dem Bestand sich die Funktionsuntüchtigkeitsmachung als Investition hinblicklich einer Nutzung als mögliche Ausstellungsstücke überhaupt lohnt.

    Der Verkauf wurde abgelehnt mit der Begründung: "Hinsichtlich der restlichen 31 Waffen hat sich ergeben, dass der Aufwand für eine Veräußerung wegen der rechtlichen Vorgaben in keinem Verhältnis zum Nutzen und eventuellen Einnahmen steht." Die "ethischen Bedenken" ggü. einem Verkauf an Privatpersonen waren sekundär, ein Verkauf an andere Museen wird nicht erwähnt (d.h. man hat wohl keine Interessenten gefunden).

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    • Nemere
      Cold Warrior
      • 12.06.2008
      • 2843

      #3
      Um diesen Beschluss des Stadtrates beurteilen zu können, müsste man eine Liste der in Frage kommenden Waffen haben. Leider ist ist es bei vielen dieser Regionalmuseen so, dass die dort vorhandenen Waffen oft gar keinen Bezug zur Stadtgeschichte haben, sondern eben in irgendeiner Weise dem Museum zugekommen sind. Da tauchen dann die alten Gewehre 98 auf, die am Ende des ersten Weltkriegs auf dem Dachboden landeten und irgendwann - weil schon so alt- dem Museum geschenkt wurden, weil die so altes Zeug brauchen können. Oder ein Jäger hinterlässt dem Museum seine Ausrüstung, weil die Erben sie nicht brauchen konnten.

      Um einen waffenrechtlichen Bezug zur Stadtgeschichte herzustellen - Münnerstadt hat nur eine ganz minimale militärische Vergangenheit:

      Von 1818 - 1868 gab es dort ein sog. "Landwehr-Bataillons-Kommando" mit dem 41. Landw.-Btl Unterfranken (1818 – 1868). Das war eine Bürger-Miliz, die vor allem Polizeiaufgaben übernahm. Anscheinend war aber dieses Bataillon nur zeitweise aktiv, weil man die ständige Organisation nicht geregelt bekam (wie in vielen anderen Gemeinden der damaligen Zeit)

      Im ersten Weltkrieg gab es nur ein sog. "Vereinslazarett" im Studienseminar, belegt nur August bis Dezember 1914. Da werden kaum Waffen zurückgeblieben sein.

      Und am Ende des ersten Weltkriegs war Münnerstadt zeitweise vorgesehen als Demobilmachungsort für Teile der 213. Infanterie-Division, ob in dieser Hinsicht tatsächlich Aktivitäten standfanden, konnte ich noch nicht ermitteln,

      Waffen mit Bezug zur Münnerstädter Stadtgeschichte können also eigentlich nur aus des Zeit des Landwehrbataillons bis 1868 oder noch weiter zurückliegend aus Rokoko und Mittelalter stammen, als evtl. der Bischof von Würzburg als damaliger Landesherr dort seinen "Landausschuss" versammelte und bewaffnete. Die Gewehre des Landwehrbataillons hatten Steinschloss- oder höchstens Perkussionszündung, es waren Vorderlader. Die noch älteren Waffen aus der Zeit vor 1818 sind ebenfalls Vorderlader mit Steinschloss- oder evtl. Radschlosszündung.

      Auf jeden Fall handelt es dabei dann um Waffen mit allenfalls Perkussionszündung, die vor 1871 entwickelt wurden und deren Erwerb und Besitz FREI sind. Den Sonderfall mehrschüssiger Perkussionswaffen wie die frühen Colt-Revolver kann man sich wahrscheinlich schenken, da sich solche Waffen kaum nach Münnerstadt verirrt haben dürften.

      Zur Aufbewahrung solcher freien Waffen sagt die AWaffV in § 13:
      (2) Wer Waffen oder Munition besitzt, hat diese ungeladen und unter Beachtung der folgenden Sicherheitsvorkehrungen und zahlenmäßigen Beschränkungen aufzubewahren:
      1. mindestens in einem verschlossenen Behältnis: Waffen oder Munition, deren Erwerb von der Erlaubnispflicht freigestellt ist;

      Als verschlossenes Behältnis würde hier auch eine Glasvitrine genügen, wie sie häufig in Museen zum Einsatz kommt.

      Wenn sich also die im Münnerstädter Museum befindlichen Waffen tatsächlich auf die kriegerische Vergangenheit der Stadt beziehen, sehe ich keinen Grund, warum es hier waffenrechtliche Probleme der geschilderten Art und großen Kostenaufwand geben sollte. Aber wie gesagt - endgültig prüfen könnte man das nur anhand einer Waffenliste.

      Kommentar

      • kato
        Cold Warrior
        • 03.03.2009
        • 870

        #4
        Zitat von Nemere Beitrag anzeigen
        Waffen mit Bezug zur Münnerstädter Stadtgeschichte können also eigentlich nur aus des Zeit des Landwehrbataillons bis 1868 oder noch weiter zurückliegend aus Rokoko und Mittelalter stammen, als evtl. der Bischof von Würzburg als damaliger Landesherr dort seinen "Landausschuss" versammelte und bewaffnete.
        In Münnerstadt war von 1952 bis 1995 der Waffenhersteller Heym ansässig (Jagd- und Sportwaffen, in den 50ern und 60ern auch z.B. Karabiner und Signalpistolen für den Zoll), bevor dieser in die neuen Bundesländer umsiedelte. Da in deren Umfeld sich verwandtes Handwerk ansiedelte, war der Betrieb durchaus auch für diese vier Jahrzehnte der Nachkriegsgeschichte prägend für die lokale Industrie.

        Gegebenenfalls gab es daher eine Sammlung von Produkten dieser Firma oder auch eine Überlassung in den Spätjahren (80er/90er), sowie durch den Industriebezug dazu dann eine kleine Sammlung älterer Vergleichswaffen z.B. regionaler Büchsenmacher. Ein Großteil der Heym-Waffen ist dabei gerade in ungewissem Zustand nicht gerade was für das man bei einem Verkauf großes Interesse oder hohe Preise generiert, das sind Jagdflinten die man großteils gebraucht heute für 100-200 Euro kriegt, sowie für andere Museen oder Privatsammler uninteressant sind.

        Eine der 11 Waffen, die erhalten werden soll, ist laut Infranken (Paywall-Artikel, Bild ist aber sichtbar) eine in Bamberg gebaute Doppelflinte mit Perkussionszündung von 1840 in scheinbar gutem Zustand.


        Zu Vitrinen sag ich nur ... die Finanzausstattung dieses Museums ist so dass man sich Ausstellungsrahmen für ein paar hundert Euro spenden läßt und sich dafür artig in der Presse bedankt. Bei den genannten Kosten von ca 600 Euro pro Waffe dürften Kosten für die anschließende sachgerechte Aufbewahrung (abschließbarer Schrank) und für einen Teil zur Ausstellung (abschließbare Vitrinen) enthalten sein.
        Zuletzt geändert von kato; 21.02.2022, 20:02.

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        • kato
          Cold Warrior
          • 03.03.2009
          • 870

          #5
          P.S., da es ein bischen Bezug zum Forum hat:

          Bei den Karabinern für den Zoll von Heym (Modell ZK52) handelte es sich um Nachkriegsneubauten des Gewehr 98, die offiziell von Fabrique National stammten und durch Heym montiert wurden. Diese hatten gegenüber dem zuvor beim Zoll verwendeten Kar 98k einen stark gekürzten Lauf. Teilweise wurden identische Modelle wohl auch an Bereitschaftspolizeien verkauft. Die Zollkarabiner wurden vom Zoll ab 1953 bis Ende 60er genutzt und Anfang der 70er für sehr wenig Geld an privat verscheuert. Ersatz war das G3.

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          • DeltaEcho80
            Cold Warrior
            • 09.03.2013
            • 1713

            #6
            Mir ging es eigentlich nur darum, den heutigen Zeitgeist zu beschreiben: Bevor man sich mit irgendetwas Historischem näher und intensiver befassen müsste, lässt man es lieber "an die Wand fahren".

            Und die von euch angeführten Fakten bestätigen mich nur, dass es doch Möglichkeiten gegeben hätte - wenn man gewollt hätte. Gut, wenn diese Waffen natürlich so keinerlei Bezug zur Stadtgeschichte Münnerstadt´s haben, dann ist es aus Sicht des Historikers natürlich schon schwer, evtl. anfallende Kosten hierfür zu rechtfertigen - wie Nemere schon schreibt.

            Aber vielleicht hätte man ja in Suhl mal fragen können.

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            • Nemere
              Cold Warrior
              • 12.06.2008
              • 2843

              #7
              Um mit meinem obigen Beitrag nicht falsch verstanden zu werden:
              Ich halte die deutschen waffenrechtlichen Bestimmungen in ihrer Gesamtheit und vor allem im Hinblick auf Sammlungen in Museen für völlig überzogen und einen Ausdruck abgrundtiefen Mißtrauens gegen den Bürger.
              Ich wollte nur die Sicht darstellen, die Museumsleuten oft begegnet.

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              • Thunderhorse
                Cold Warrior
                • 09.02.2006
                • 1904

                #8
                Warum sollten die Waffen keinen Bezug zur Stadtgeschichte Münnerstadt gehabt haben?

                Ja, man hätte Wege finden können.
                Kostet halt Zeit und Geld.

                Wimre war Heym bis 1996 in Münnerstadt bevor man sich wieder in Thüringen, Gleichamberg, ansiedelte.
                Knapp hinter der Landesgrenze zu Unterfranken/Bayern.
                Zuletzt geändert von Thunderhorse; 26.07.2022, 10:38.

                Kommentar

                • Thunderhorse
                  Cold Warrior
                  • 09.02.2006
                  • 1904

                  #9
                  Angemerkt:

                  Heym baute für Hessen und RLP (Justiz) auch den Justiz-Karabiner Modell 52. Lief damals über die Firma Geco.
                  Weitgehend identisch, baugleich mit dem Polizeikarabiner Modell 52. Dieser war u.a. in Rheinland-Pfalz, NRW im Gebrauch.

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                  • Thunderhorse
                    Cold Warrior
                    • 09.02.2006
                    • 1904

                    #10
                    Zitat von Thunderhorse Beitrag anzeigen
                    Warum sollten die Waffen keinen Bezug zur Stadtgeschichte Münnerstadt gehabt haben?

                    Ja, man hätte Wege finden können.
                    Kostet halt Zeit und Geld.

                    Wimre war Heym bis 1996 in Münnerstadt bevor man sich wieder in Thüringen, Gleichamberg, ansiedelte.
                    Knapp hinter der Landesgrenze zu Unterfranken/Bayern.
                    Viele Schätze historischer Waffen
                    2005
                    Münnerstadt Unter die Lupe nahmen zwei Sachverständige der BR-Fernsehsendung Kunst  &  Krempel die Waffen- und Spielzeugsammlungen des Münnerstädter Henneberg-Museums. Der Experte für Waffen und Militaria, Jan K. Kube, und die Spielzeug-Fachfrau Michaela Kube waren auf Einladung von Museumsleiterin Katja Schenkenberger gekommen.

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