Bunker oder was?

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  • klaus_erl
    Cold Warrior
    • 14.04.2013
    • 1057

    #1

    Bunker oder was?

    Während einer Eisenbahnfahrt sind mir im Raum Hof offensichtlich ziemlich alte Betonbauwerke aufgefallen. Kann hier jemand was damit anfangen und evtl. deren Zweck erklären?

    Ausfahrt Bf Hof nach Oberkotzau
    HOOK_001.jpgHOOK_002.jpg

    Ehem. Rbf Oberkotzau
    HOOK_003.jpg

    Bahnsteig in Oberkotzau
    HOOK_004.jpg

    Derartige Betonbauten finden sich im Bereich Hof/Oberkotzau noch einige weitere.
  • Guenther (†)
    Cold Warrior
    • 04.09.2006
    • 1024

    #2
    Hallo Klaus,

    diese Betonbauten hab ich auch im Raum Lichtenfels bzw Mittelfranken gesehen.

    mfg günther
    Suche Gliederungen der Heeresstrukturen 2 + 3.
    Außerdem suche ich die letzten Trichtersperren und Sperrmittelhäuser in Franken.

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    • Nemere
      Cold Warrior
      • 12.06.2008
      • 2843

      #3
      Das sind Schutzbunker für das Bahnpersonal aus dem Zweiten Weltkrieg.

      Die Bahnhöfe Hof und Oberkotzau bildeten bis 1945 zusammengefasst einen sehr grossen Rangierbahnhof, der als Drehscheibe sowohl für Nord-Süd wie auch für Ost-West-Verbindungen wichtig war.

      Die über Hof-Oberkotzau laufenden Bahnstrecken gewannen ab Spätsommer 1944 erheblich an Bedeutung. Nach der Landung in Nordfrankreich gerieten die im Westen des Reiches verlaufenden Bahnstrecken, vor allem die Trassen entlang des Rheins, schnell in den Wirkungsbereich der alliierten taktischen Luftwaffe, was die Leistungsfähigkeit dieser Linien stark verminderte und dazu zwang, einen Großteil des Schienenverkehrs über weiter im Osten liegenden Strecken abzuwickeln. Neben den Nachschubzügen blieben auch die über Hof laufenden Fernverkehrszüge bedeutsam, noch nach den erheblichen Betriebseinschränkungen im Reisezugverkehr ab Juli 1944 verkehrten täglich über Hof drei D-Zugpaare:
      - München – Hof – Berlin und zurück,
      - München – Hof – Dresden – Breslau (mit Verlängerung bis Krakau) und zurück,
      - Augsburg – Nürnberg – Hof – Dresden – Breslau und zurück.
      Diese wachsende Bedeutung Hofs als Verkehrsknotenpunkt angesichts der näherrückenden Fronten und des Ausfalls anderer wichtiger Bahnlinien blieb der alliierten Luftaufklärung nicht verborgen. Ab Januar 1945 häuften sich auch im nordbayerischen Raum gezielte Angriffe, vor allem durch amerikanischen Bomberverbände, auf Eisenbahnlinien, Verkehrsknotenpunkte und Rangierbahnhöfe, um endgültig das deutsche Transportsystem lahmzulegen (Operation „Clarion“)

      (Siehe dazu z.B.:
      - Müller, Rolf-Dieter: Die Vernichtung der deutschen Rüstungsindustrie. In: MGFA (Hrsg.): Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Band 5: Organisation und Mobilisierung des deutschen Machtbereichs. Teilband 2: Kriegsverwaltung, Wirtschaft und personelle Ressourcen 1942 – 1945. Stuttgart 1999, S. 758 ff.
      - Mierzejewski, Alfred C.: Bomben auf die Reichsbahn. Der Zusammenbruch der deutschen Kriegswirtschaft 1944 – 1945. Freiburg 1993)

      Zwischen den Gleisanlagen in Hof / Oberkotzau wurden deshalb schon seit 1943 zahlreiche kleine Betonbunker erbaut, um Rangier- und Zugpersonal bei überraschenden Tieffliegerangriffen eine Schutzmöglichkeit zu geben. Die von Dir beobachteten Bunker sind Relikte dieser Zeit, es gab sie an allen grösseren Bahnhöfen. Diese "Hochbunker" dienten vor allem der Beobachtung der Gleisanlagen durch das Fahrdienstpersonal, daneben gab es auch noch ebenerdige, teilweise in die Erde versenkte Bunker für Lokführer, Heizer usw.
      In Hof und Oberkotzau fanden sich früher Dutzende dieser Bunker im gesamten Bahngelände, die inzwischen weitgehend beseitigt sind.

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      • klaus_erl
        Cold Warrior
        • 14.04.2013
        • 1057

        #4
        Danke für die ausführliche Erläuterung.

        Die Lage in der Nähe ehemaliger Stellwerke passt gut dazu, dass dort evtl. die Fahrdienstleiter/Weichenwärter Schutz suchen konnten.

        Hier dürfte es sich um einen der größeren teilversenkten Bunker handeln. Ein paar Meter westnordwestlich steht auch noch einer der schmalen hohen Ausführung.

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        • Nemere
          Cold Warrior
          • 12.06.2008
          • 2843

          #5
          Ja, das ist einer der Bunker für Lokpersonal. Wo wir heute die großen Hallen mit den hellen Dächern sehen, stand früher der Ringlokschuppen des "bayerischen" Teils des Hofer Bahnhofs. Der Bahnhof Hof war ja in der Länderbahnzeit bis nach dem 1. Weltkrieg Grenzbahnhof zwischen der königlich bayerischen und der königlich sächsischen Staatsbahn. Deswegen sieht man heute noch im Empfangsgebäude an manchen Stellen beide Länderwappen.
          Der sächsische Ringlokschuppen steht noch im westlichen Teil des Bahnhofs ( https://maps.google.de/maps?q=50.305...01949&t=h&z=18). Allerdings ist das Luftbild von der Zeit überholt, der Lokschuppen ist in den letzten Wintern unter der Schneelast zusammengebrochen und jetzt streitet sich die Bahn mit diversen anderen Stellen herum, wer die Ruine beseitigt.

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          • klaus_erl
            Cold Warrior
            • 14.04.2013
            • 1057

            #6
            Die Bahnanlagen in Hof sind mir recht gut bekannt, ich bin ja in der Gegend aufgewachsen als es noch dampfte.

            Nur diese Betonbauten waren bisher ein Mysterium für mich, aber jetzt ist das ja auch aufgeklärt.

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            • Nemere
              Cold Warrior
              • 12.06.2008
              • 2843

              #7
              Zitat von klaus_erl Beitrag anzeigen
              Die Bahnanlagen in Hof sind mir recht gut bekannt, ich bin ja in der Gegend aufgewachsen als es noch dampfte.
              Na, da kommen wir ja aus der gleichen Gegend. Ich stamme auch aus der Nähe von Hof und kenne den Bahnhof auch noch als Hochburg der 01-er Schnellzuglokomotiven.

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              • wuffingen

                #8
                Zitat von Nemere Beitrag anzeigen
                Ja, das ist einer der Bunker für Lokpersonal. Wo wir heute die großen Hallen mit den hellen Dächern sehen, stand früher der Ringlokschuppen des "bayerischen" Teils des Hofer Bahnhofs. Der Bahnhof Hof war ja in der Länderbahnzeit bis nach dem 1. Weltkrieg Grenzbahnhof zwischen der königlich bayerischen und der königlich sächsischen Staatsbahn. Deswegen sieht man heute noch im Empfangsgebäude an manchen Stellen beide Länderwappen.
                Der sächsische Ringlokschuppen steht noch im westlichen Teil des Bahnhofs ( https://maps.google.de/maps?q=50.305...01949&t=h&z=18). Allerdings ist das Luftbild von der Zeit überholt, der Lokschuppen ist in den letzten Wintern unter der Schneelast zusammengebrochen und jetzt streitet sich die Bahn mit diversen anderen Stellen herum, wer die Ruine beseitigt.

                Ich bezweifele daß diese Bunker wirklich Schutz geboten hätten. In Eschwege gibt es auch ein großes Bahngelände mit einer Lokschuppenruine. Solche Bunker habe ich aber nicht entdeckt.

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                • Keilerdackel
                  Cold Warrior
                  • 06.10.2011
                  • 117

                  #9
                  Hallo zusammen,

                  vor zwei Jahren war ich im Museum Stammheim bei Volkach und habe dor an einer Führung teilgenommen.

                  Im Museum ist ein mannshoher "Bunker" mit Sehschlitzen zu sehen, der Laut Aussage des Museumsführers als Beobachtungsbunker der Reichsbahn an Bahngleisen diente. Der Bunker entspricht ziemlich genau dem auf Bild vier eingangs gezeigten.

                  Die Aufgabe des "Bunkerpersonals" war wohl die Beobachtung der Bahngleise und Bahnhöfe während eines Angriffs. Sollten die Gleise beschädigt worden sein wurde dies umgehend weitergemeldet.

                  Solche Kleinstbunker stehen z.B. auch an der Bahnlinie zwischen Lohr a. Main und Gemünden; direkt von der B26 einzusehen. Ob diese Einrichtungen im Kalten Krieg noch eine Rolle gespielt haben entzieht sich meiner Kenntnis. Eine Nachnutzung muß es aber gegeben haben; anders lässt sich das Vorhandensein nach so langer Zeit nicht erklären.

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                  • klaus_erl
                    Cold Warrior
                    • 14.04.2013
                    • 1057

                    #10
                    Zitat von Keilerdackel Beitrag anzeigen
                    Solche Kleinstbunker stehen z.B. auch an der Bahnlinie zwischen Lohr a. Main und Gemünden; direkt von der B26 einzusehen. Ob diese Einrichtungen im Kalten Krieg noch eine Rolle gespielt haben entzieht sich meiner Kenntnis. Eine Nachnutzung muß es aber gegeben haben; anders lässt sich das Vorhandensein nach so langer Zeit nicht erklären.
                    Könnte die Erklärung nicht auch einfach sein, dass sie nicht im Weg waren und deshalb niemand das Geld für die Beseitigung locker machte?

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                    • klaus_erl
                      Cold Warrior
                      • 14.04.2013
                      • 1057

                      #11
                      Zitat von wuffingen Beitrag anzeigen
                      Ich bezweifele daß diese Bunker wirklich Schutz geboten hätten.
                      Die Hofer Eisenbahner sahen es wohl auch so. Ich hatte gestern zufällig Gelegenheit mit einem älteren Herren und ex-Eisenbahner zu reden, dessen Vater während des 2. WK in Hof als Rangierleiter gearbeitet hat. Die Eisenbahner bauten sich in Eigenregie die Alsenberger Unterführung als Luftschutzraum aus, indem sie an beiden Enden mehrere gegeneinander versetzte Bohlenwände als Splitter- und Druckblenden reinzimmerten. Die diversen Meter Bahndamm obendrüber waren wohl in der Tat wirksamer als das bisschen Beton der Bunkerdecke.

                      Was doch so eine beiläufige Beobachtung und Diskussion hier auslöst. Ohne das wäre ich wohl gestern in der Lichtenfelser Bahnhofswirtschaft nicht in ein so intensives Gespräch gekommen.

                      Er hat auch aus der Zeit des kalten Krieges erzählt, als ja die Reichsbahner regelmäßig Gast in Hof waren.

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                      • Nemere
                        Cold Warrior
                        • 12.06.2008
                        • 2843

                        #12
                        Diese Bunker waren vor allem als Schutz gegen Tieffliegerangriffe mit Bordwaffen auf fahrende / rangierende Züge gedacht. Dafür dürfte die Schutzwirkung ausgereicht haben. Bei Bombenangriffen, bei denen die anfliegenden Verbände durch den Flugmeldedienst im Normalfall relativ lange vorher bekannt waren, versucht man nach Möglichkeit, die Bahnhöfe weitgehend von Zügen zu räumen und diese auf Strecke zu schicken. Das Personal im Bahnhof sollte dann nach Möglichkeit Luftschutzbunker aufsuchen.
                        Siehe dazu:
                        - Kreidler, Eugen: Die Eisenbahnen im Machtbereich der Achsenmächte während des Zweiten Weltkriegs. (= Studien und Dokumente zur Geschichte des Zweiten Weltkrieges, 15). Göttingen 1975, S. 223, 244.
                        - Hampe, Erich: Der Zivile Luftschutz im Zweiten Weltkrieg. Frankfurt 1963, S. 493 - 497.

                        In Hof war es allerdings mit sicheren Bunkern nicht weit her. Neben der schon angesprochenen Unterführung der Alsenberger Strasse wurde auch die Fußgängerunterführung am damaligen Bahnhof Hof-Nord in ähnlicher Weise hergerichtet https://maps.google.de/maps?q=50.304...num=1&t=m&z=19.
                        Dazu gibt es Unterlagen im Stadtarchiv Hof (StadtA Hof – A 1433 Einrichtung von Deckungsgräben: Vorstand Reichsbahn-Betriebsamt Hof v. 19.1.1945).

                        In der Nähe des Bahnhofs gab es einen einzigen einigermassen sicheren Felsenkeller mit einer Deckenstärke zwischen 5 und 8 m auf der Königstraße 62 - 65. Allerdings hatte dieser Keller keinen Notausstieg und reichte mit seinem Fassungsvermögen von knapp 150 Personen nicht mal für die Anwohner der umliegenden Strassen aus.
                        Das damalige Hotel National in der Bahnhofstr. 43 hatte ebenfalls einen als Luftschutzraum geführten Keller, der allerdings nur eine Backsteingewölbedecke von 0.4 m Stärke und lediglich 100 Personen fasste.

                        Dann gab es noch einen Deckungsgraben vor dem Bahnhof auf dem Bahnhofsplatz mit einem Fassungsvermögen von 200 Personen, der allerdings mit einer Decke von 0,15 m Beton und 0,5 m Erde kaum mehr als Splitterschutz bot.

                        Quellen dazu:
                        Stadtarchiv Hof:
                        - A 1486 Luftschutz – Bau von Luftschutzstollen: Liste der Öffentlichen Luftschutzräume v. 20.3.1944 und 31.1.1944, Protokoll zur Überprüfung der Luftschutzräume v. 8.2.1945.
                        - A 1433 Einrichtung von Deckungsgräben.

                        Für den Schutz gegen Nahtreffer einer 500 kg Bombe wurden etwa 2 m Eisenbeton als notwendig angesehen, Sicherheit gegen Volltreffer schwererer Bomben boten erst Deckenstärken von 3,5 m. 500 kg. Bomben durchschlugen Erddeckungen von 5 m Mächtigkeit, wie sich bei den Angriffen auf Schweinfurt 1943 herausgestellt hatte.
                        Quellen dazu:
                        BA – MA RH D 41/7 Panzeratlas (1.9.1942),
                        Golücke, Friedhelm: Schweinfurt und der strategische Luftkrieg 1943. Paderborn 1984, S. 336
                        Zum Schutzwert dieser Anlagen auch: Deckungsgräben für den zivilen Luftschutz. In: IBA-Informationen, Heft 20 (1992). - LS-Bauten (LS-Deckungsgraben). In: IBA-Informationen, Heft 34 (1999)

                        Insgesamt zum Luftschutz / Bombenkrieg in Hof siehe auch:
                        Wurdack, Jörg: Militärgeschichte der Stadt (= Chronik der Stadt Hof, Bd. X), Hof 2005. S. 375 - 398.

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