Lehr- und Versuchsübung 1958 (LV 58)

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    • 12.06.2008
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    #1

    Lehr- und Versuchsübung 1958 (LV 58)

    Schon kurze Zeit nach Aufstellung der Bundeswehr hatte sich gezeigt, dass die sich weitgehend am amerikanischen Vorbild ausrichtende Divisionsgliederung mit drei Kampfgruppenstäben ohne fest zugeteilte Truppen nicht den Anforderungen moderner Gefechtsführung unter atomarer Bedrohung entsprach. Man suchte daher schon bald nach einer zweckmäßigeren Gliederung, bei welcher die notwendigen Truppengattungen für das Gefecht der verbundenen Waffen unterhalb der Divisionsebene in möglichst kleinen, aber kampfkräftigen und zumindest für eine gewisse Zeit zur selbständigen Gefechtsführung befähigten Organisationseinheiten verwirklicht werden sollte. Aus diesen Überlegungen entstand unterhalb der Divisionsebene die Brigade, innerhalb derer mehrere Kampftruppenbataillone mit einem Artilleriebataillon und den notwendigen Unterstützungstruppen einem Stab fest zugeteilt waren.
    Diese Gliederung bewährte sich so gut, dass sie lange Jahre geradezu als NATO-Standard galt.
    Erprobt wurden diese neuen Gliederungen in der im September 1958 stattfindenden „Lehr- und Versuchsübung 1958“ (LV 58). Dabei wurden zwei „Übungsbrigaden“ sowie die zur Unterstützung nötigen Divisions- und Korpstruppen gebildet. Die Erkenntnisse aus der LV 58 führten dann zu Heeresstruktur 2.
    In dem Buch „Panzergrenadier – Eine Truppengattung im Spiegel ihrer Geschichte“ (Hrsg.: Richter, Klaus Christian, Munster 2004) habe ich auf den Seiten bis die für die LV 58 genutzten Übungsgliederungen entdeckt, die gleichzeitig die ersten Überlegungen für die spätere Heeresstruktur 2 enthalten.

    1. Korps

    Bw1959 001.jpg
    Hier sind bereits 2 Fernmeldebataillone vorgesehen. Tatsächlich mussten sich die Korps bis 1965 mit einem Btl behelfen, erst dann erfolgte die Teilung.
    Heeresflieger waren organisch beim Korps überhaupt nicht vorhanden, lediglich eine Heeresfliegerstaffel sollte von den sog. „Heerestruppen“ zugeteilt werden. Diese Heerestruppen waren Verfügungstruppen der Obersten Bundeswehrführung, die zwar in immenser Stärke vorgesehen waren, aber kaum aufgestellt wurden. Transporthubschrauber waren damals auf Korpsebene nicht vorgesehen.
    Die ABCAbwBtl der Korps entstanden mit Ausnahme des Btl 310 erst nach 1970.

    Auch die geplanten, recht starken Truppen des Artilleriekommandos wurden nur in sehr reduzierter Form aufgestellt.
    Die beiden Feldartilleriebataillone der Korps beschränkten sich sogar 1985 noch auf höchstens ein Bataillon pro Korps.
    An Raketenartillerie war zunächst ein Bataillon SERGEANT und ein Bataillon HONEST JOHN vorgesehen, beide Btl wurden auch aufgestellt. Allerdings traten die HONEST JOHN-Einheiten schon bald zu den Divisionen und bildeten deren Raketenartillerie.
    Die Beobachtungsartilleriebataillone der Korps wurden tatsächlich aufgestellt, meist wurden drei selbständige Kompanien (mit eigenen Nummern) unter einem Stabszug zusammengefasst. Bereits nach wenigen Jahren kam das Ende dieser Bataillone, sie wurden Aufstellung der beobachtenden Artillerie bei den Divisionen verwendet.

    Die sehr ambitionierten Planungen der Flugabwehr mit drei Bataillonen kamen in der Heeresstruktur 2 nur in minimalen Ansätzen zur Ausführung. Vorgesehen waren je zwei 75 mm Bataillonen pro Korps, also 6 insgesamt. Vorhanden waren davon nur 2 (180 und 280), die bereits Anfang der 1960er Jahre zur Luftwaffe übertraten und dort später FlaRakBtl wurden. Ausgestattet waren diese Btl mit der US 75 mm Flak SKYSWEEPER, bei der Geschütz und Radargerät eine Einheit bildeten.
    Das außerdem vorgesehene 40 mm Btl (Flak 40 mm/L70 mit Radarsteuerung) wurde erst Anfang der 1970er aus den 5. Batterien der Divisions-Fla-Btl gebildet.

    Sehr deutlich unterscheiden sich die Pionierkräfte des Korps von den später tatsächlich vorhandenen Kräften. Wir haben nur ein schweres Pionierbataillon, dazu sieben selbständige, unterschiedlich ausgestattete Brückenkompanien.

    Ein Luftlandebataillon/Fallschirmjägerbataillon, das wahrscheinlich von der 1. Luftlandedivision kommen sollte, war als Verfügungstruppe vorgesehen. Problematisch war hier sicher, dass das Korps gem. dieser Übungsgliederung über keine eigenen Lufttransportkapazitäten verfügte.
    Die entscheidend wichtigen Logistik- und Sanitätstruppen sind in dieser Übungsgliederung leider nicht enthalten.

    2. Division

    Bw1959 002.jpg
    Im Artillerieregiment gab es noch keine beobachtende Artillerie, die Raketenartillerie sollte aus zwei selbständigen Batterien bestehen und das Fla-Btl der Division unterstand dem Artillerieregiment.
    Vorgesehen waren 2 Fla-Bttr mit M 42 und 1 Bttr mit 40 mm/L70. Ebenso wie beim Feldartillerieregiment haben wir hier noch eine eigenständige Stabsbatterie und eine Versorgungsbatterie.
    Dem PionierBtl ist die ABC-Abwehrkompanie unterstellt.
    Das PanzeraufklärungsBtl ist mit nur zwei Kompanien noch recht schwach auf der Brust, die schwere Kompanie wurde erst einige Jahre später unter Auflösung der Panzerspähkompanien der Brigaden formiert.

    Ähnlich mager ist die Ausstattung mit Versorgungs- und Sanitätstruppen. Jede Division sollte aus dem Korpsbereich
    ein Instandsetzungsbataillon,
    ein Nachschubbataillon
    drei Lazarette
    erhalten.
    Hier haben wir auch noch die alten taktischen Zeichen
    - Schraubenschlüssel über stilisierter Granate für die „Feldzeugtruppe“ – später Inst-Truppe
    - Schlüssel für die „Quartiermeistertruppe“ – später Nachschub-Truppe.

    3. Brigade

    Bw1959 003.jpg
    Die Brigaden haben je nach Typ drei oder vier Kampftruppenbataillone.
    Bei den Infanteriebataillonen gibt es noch eine „echte“ schwere Kompanie mit Panzerjägern Kanone und Mörsern, bei den mot. Bataillonen auch noch mit einem SPz- und einem Panzerabwehrlenkraketenzug.
    Die Panzerjägerkompanie der PzGrenBrig ist dem PzBtl unterstellt, die PzBrig hatte noch keine PzJgKp.
    Dem ArtillerieBtl ist die FlakBttr (M 42) zugeordnet, beim Feldartilleriebataillon der PzGrenBrig ist noch eine schwere Mörserkompanie vorgesehen. Diese Kompanie taucht in späteren Planungen nicht mehr, es gibt dann bei den InfanterieBtl schwere Mörserzüge.
    Vorgesehen war weiter pro Brigade eine Panzeraufklärungskompanie. Soweit diese Kompanien überhaupt aufgestellt wurden, wurden sie bis auf wenige Ausnahmen bereits nach einigen Jahren wieder aufgelöst und zur Verstärkung der Divisions-PanzeraufklärungsBtl verwendet. Die Brigaden erhielten Spähzüge.
    Die Logistik der Brigade wurde über ein Versorgungs-Btl sichergestellt. Vorgesehen war zunächst wie hier gezeigt neben der Stabs/Versorgungskp ein Sanitätszug, eine Quartiermeister (Nachschub-) Kp und eine Feldzeug-(Inst-) Kp.
    Tatsächlich gliederten sich die VersorgungsBtl nach Einnahme der HStr. 2 in
    - Stabs- / Versorgungskompanie mit Brigadenachschubzug
    - Sanitätskompanie
    - Transportkompanie
    - Instandsetzungskompanie

    Die Brigade-Flugabwehrbatterien wurden nicht bei allen Brigaden gebildet, bereits um 1966 wurden diese Batterien an die Divisions-Flugabwehrbataillone abgegeben.

    Zusätzlich erhielten die meisten Brigaden ab Mitte der 1960er Jahre eine Brigade-ABC-Abwehrkompanie. Diese Kompanien wurden um 1970 wieder abgezogen und dienten u.a. zur Aufstellung der Korps-ABC-AbwehrBtl.

    Literatur:
    Beckmann, Heinrich: 45 Jahre Lehr- und Versuchsübung 1958 (LV 58). In: Wehrtechnische Studiensammlung (Hrsg.): Sturmpanzerwagen A7V. Vom Urpanzer zum Kampfpanzer Leopard 2. Ein Beitrag zur Militär- und Technikgeschichte. Bonn 2003, S. 379 - 388.
    Hammerich, Helmut R. / Kollmer, Dieter H. / Rink, Martin / Schlaffer, Rudolf J.: Das Heer 1950 bis 1970. Konzeption, Organisation, Aufstellung (Sicherheitspolitik und Streitkräfte der Bundesrepublik, 3) München 2006.
    Richter, Klaus Christian (Hrsg.): Panzergrenadiere. Eine Truppengattung im Spiegel ihrer Geschichte, Munster 2004.
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