ich würde gerne einmal anhand des Beispiels der 9. Panzerdivision Eggesin (NVA) diskutieren, wie sich dieser Verband im Falle einer Alarmierung in seinen Bereitstellungsraum bewegt/verlegt und dann
in Gefechtsformation gegangen wäre.
9. Panzerdivision Eggesin ca. 12.000 Mann
DivKdr GenMaj Franz Erdmann
- Panzerregiment 21 „Walter Empacher“ in Spechtberg (Torgelow)
- Panzerregiment 22 „Soja Kosmodemjanskaja“ in Spechtberg
- Panzerregiment 23 „Julian Marchlewski“ in Stallberg
- Mot.-Schützenregiment 9 „Rudolf Renner“ in Drögeheide (Torgelow)
Gefechtsfahrzeuge: 322 T-72, 146 BMP, 42 BTR, etc.
Auftrag bzw. Gefechtsaufgabe:
D1 (Tag 1): 5. NVA-Armee durchbricht 1. Staffel I. NL-Armeekorps und nimmt Abschnitt EVENDORF-UELZEN ein.
9. Panzerdivision bekommt 4km breiten Durchbruchsabschnitt westlich von BIENENBÜTTEL bis westlich BEVENSEN zugewiesen, soll gegnerische Gruppierung aufspalten, in die Tiefe vorstoßen, Durchbruch zu den Flanken
erweitern und Gegner nach Teilen zerschlagen (Quelle: Wege zur Wiedervereinigung: Die beiden deutschen Staaten in ihren Bündnissen ... S. 274)
Ausgangslage sicherlich analog zu einem NATO-Verband - bis auf die generell höhere Gefechtsbereitschaft von NVA-/WAPA-Verbänden - Alarmierung, Ausrücken kompanieweise in den Verfügungsraum (heutiger TrÜbPl JÄGERBRÜCK) und Warten auf weitere Befehle gemäß Marschkredit.
Die 9. PD ist nicht in der vordersten 1. Staffel, daher abwarten, bis die anderen Panzerkolonnen der 5. NVA-Armee in den grenznahen Konzentrierungsraum LUDWIGSLUST verlegt haben.
Das könnte 24h+ oder Tage dauern?
EGGESIN - LUDWIGSLUST über die heutige A20 280km (südlich ROSTOCK-SCHWERIN) oder über die B198 (südlich der Mecklenburger Seenlandschaft) nur 240km - aber abhängig davon, wie frei die Straßen sind.
Ein Marsch unter Kriegsbedingungen ist ein völlig anderer als in Friedenszeiten, also die größte Gefahr droht durch Anstauung eigener Kettenfahrzeuge, Konzentration und dadurch leichte Bekämpfbarkeit durch NATO-Luftwaffe: Tiefflieger und Erdkampfflugzeuge.
Kein WAPA-Verband könnte sich in den 1980er Jahren unbemerkt und getarnt seinem grenznahen Konzentrierungsraum nähern, ohne durch die NATO vorher aufgeklärt zu werden.
NATO-Satellitenaufklärung: Fahrzeuge leicht auf den Hauptverkehrsstraßen aufklärbar und im Gelände wird - in der warmen Jahreszeit - bei der Verlegung von Panzerkompanien, -bataillonen, - regimentern extrem viel Staub aufgewirbelt.
Also Bahnverlegung? Auch leicht aufklärbar durch hohe Zahl von Güterwaggons. Die berühmte sowjetische Maskirowka kann also gar nicht greifen.
Die NATO hat (Quelle: Oestmann: Dazu befehle ich) Formeln für die Marschberechnung:
Marschlänge [m]: KfZ-Länge + KfZ-Abstand + Marschabstände (m)
Durchlaufzeit [min]: Marschlänge [km] x 60 / Marschgeschwindigkeit [km/h]
Marschlänge / Durchlaufzeit Brigade (i.d. Fall Regiment): 900 KfZ - 120 km Marschlänge bei 20 km/h - 3 Stunden bei 2 Marschstraßen zu 3 Marschgruppen. Macht also bei 240 km - 6 Stunden.
Wenn die 4 Regimenter hintereinander fahren 6h x 4 = 24 Stunden. Ist das so plausibel?
Wenn dann unter Kriegsbedingungen nur noch Nachtmärsche möglich sind - 2 volle Tage, bis alle 4 Regimenter im Konzentrierungsraum LUDWIGSLUST angelangt sind?
Wahrscheinlich gibt es gar keine Berechnungen unter Kriegsbedingungen? Also es dauert eine halbe Ewigkeit, bis die 322 KPz und die 188 SPz in LUDWIGSLUST angelangt sind? Und dann müssen sie wahrscheinlich noch einmal
komplett aufgetankt werden, was wieder enorm Zeit in Anspruch nimmt.
Das alles spricht für eine Bahnverlegung von EGGESIN nach LUDWIGSLUST. Mit Panzern beladene Güterzüge sind natürlich dankbare Ziele für Erdkampfflugzeuge. Und dann gibt es nur noch Totalverlust.
Siegfried Lautsch spricht diese Problematik leider nicht explizit an.
Und dann muss die ganze Division noch auf der Strecke LAUENBURG - HITZACKER über eine/mehrere schmale Kriegsbrücke die ELBE rüber. Wenn ich die Karte betrachte, gibt es keinen vernünftigen Grund, eine hochgefährliche Gewässerforcierung über einen
250 m breiten Strom zu wagen, wenn die 2. Gardepanzerarmee doch ohne dieses große Hindernis auf dem Landweg nach UELZEN stoßen kann.
Gruß,
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