In Landau trafen sich gestern vier ehemalige US-Soldaten an der einstigen Nato-Raketenbasis. Gemeinsam mit deutschen Aktivisten werben sie für den Erhalt der Anlage. Von Michael Konrad
Lasst euch niemals einreden, dass der Kalte Krieg locker war“, sagt Danny Carter (64) und blickt über den Zaun mit Stacheldraht vom Landauer Ebenberg Richtung Pfälzerwald. Auf der anderen Seite des Zauns: die Überreste des einstigen US-Militärstützpunkts. Das 2. Bataillon der 56. Luftverteidigungsartillerie der US-Armee war hier von 1957 bis 1983 stationiert und mit ihm eine unbekannte Zahl Nike- und Hercules-Luftabwehrraketen. Mitte der 1980er-Jahre folgten Patriot-Raketen nach, bevor die US-Amerikaner nach dem Fall der Berliner Mauer aus Landau abzogen, wie später auch die „Landauer“ Franzosen.
Das „Thomas Nast Camp“ auf der flachen Anhöhe im Süden Landaus war eines der Pfälzer Rädchen im Betrieb des Kalten Krieges – wie das Giftgaslager bei Clausen, das Atomwaffenarsenal bei Fischbach und die Flugplätze in Sembach, Zweibrücken und Ramstein. Danny Carter arbeitete bis 1982 als Unteroffizier am Landauer Radar, als Sergeant beim IFC, der „Integrated Fire Control“. „365 Tage im Jahr üben gegen einen Feind, der nicht da ist“, das sei kein Spaß, sagt Carter.
Klar, es war kein Einsatz in Vietnam. Dafür musste das Bataillon bei stark reduziertem Personal perfekte Arbeit abliefern, erinnert sich auch Mike Lavka (73), einst Technischer Offizier in Landau. Nicht viel mehr als die Hälfte der üblichen Mannschaftsstärke hatte der Stützpunkt aufzuweisen. „Doch die Arbeit musste fehlerfrei sein“, sagt Lavka, besonders bei den vielen Besuchen hochrangiger Militärs, denen die Effizienz der US-Raketenabwehr vorgeführt werden sollte: Ein Radar erfasst das feindliche Flugzeug, ein zweites lenkt die eigene Rakete. Und die Soldaten sorgen dafür, dass irgendwann beide zur selben Zeit am selben Ort sind – erfolgreicher Abschuss. Theoretisch. Zum Glück.
Befördert wurde man in Landau nicht so schnell, im Vorzeigebataillon der US-Artillerie, wie die beiden Ex-Soldaten ihre Einheit heute noch nennen. Kein Kriegseinsatz. Und dann noch an einem Waffensystem, das zumindest in den letzten Jahren für die Armeeführung schon als Auslaufmodell gegolten haben dürfte – andernorts liefen die Vorbereitungen für den Einsatz der moderneren Patriot-Raketen. Im Kalten Krieg drehte sich die Rüstungsspirale schnell. Die Welt war auch damals schon eine gefährliche.
Damit das nicht vergessen wird, trafen sich Lavka und Carter sowie ihre Veteranen-Kameraden David Thomas und Dennis Kershaw gestern in Landau mit Deutschen, die sich für den Erhalt der militärischen Anlagen auf dem Ebenberg einsetzen, darunter Klaus Backes und Alexander Stein vom Verein zur Erhaltung der Westwall-Anlagen sowie Walter Stutterich vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Den deutschen Ehrenamtlern ist es ein Dorn im Auge, dass die ehemalige Nato-Raketenbasis zurückgebaut werden soll. So lautet nach Aussage der Aktivisten der Plan der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, der das Grundstück inzwischen gehört.
Von Abrissarbeiten an den verfallenden Gebäuden ist zwar weit und breit nichts zu sehen, doch Alexander Stein fordert ein Moratorium. Bevor mit dem Rückbau begonnen werde, müsse erfasst und dokumentiert werden, was der Ex-Stützpunkt für die Forschung noch hergebe. Mit seinem Einsatz für den Erhalt des Westwalls hatte der Verein Erfolg, nun liegt der Schwerpunkt auf den Relikten des Kalten Krieges.
Diese seien Denkmäler einer Epoche, in der die Menschheit so nah am Abgrund stand wie nie zuvor in ihrer Geschichte, hat es Steins Vereinskollege Klaus Backes, Journalist und Historiker, in einer Abhandlung formuliert. Die Nato-Anlagen seien auch Erinnerungen an die Friedensbewegung, der wohl bisher größten bürgerschaftlichen Bewegung der Bundesrepublik. Zudem hätten sie touristisches Potenzial, das „aus schlichter Fantasielosigkeit noch nicht erkannt wurde“.
Es ist zwar nicht zu erwarten, dass der Ebenberg gleich zum Freizeitpark für ehemalige US-Soldaten umfunktioniert wird, die ihren alten Stützpunkt besuchen wollen, wie Ex-Soldat Danny Carter es sich kühn ausmalt („Die Idee ist ein bisschen verrückt, aber das wäre doch was!“) Doch immerhin: Im September wollen sich die vier US-Veteranen, von denen drei in der Pfalz leben, wieder in Landau treffen. Dann mit 20 Kameraden, die allesamt aus den USA für drei Tage in die Südpfalz kommen wollen. „Ich war froh, als der Kalte Krieg vorbei war“, sagt Mike Lavka, der das auch als Erfolg des kleinen Landauer Rädchens sieht: „Wir haben einen Unterschied gemacht.“ Das soll gefeiert werden.
Quelle:
Verlag: DIE RHEINPFALZ
Publikation: Pirmasenser Rundschau
Ausgabe: Nr.32
Datum: Sonntag, den 11. August 2013
Seite: Nr.4

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